Ältere Arbeitnehmer – Vorurteile und Realität

Die Diskussion um die Beschäftigung älterer Mitarbeiter wird nicht zuletzt regelmäßig von der Politik entfacht. So hielt etwa der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement die Rente mit 67 für unzureichend. Umgekehrt befürchten Unternehmer, dass sie an Innovationskraft und Produktivität einbüßen könnten, wenn sie verstärkt ältere Arbeitnehmer beschäftigen. Der Grund: Ältere Menschen gelten als weniger belastungsfähig als jüngere Arbeitnehmer. 

Dieses Vorurteil stimmt jedoch nur teilweise. Zwar sinkt die körperliche Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter, und ältere Arbeitnehmer können sich weniger schnell auf neue Situationen einstellen. Dieses scheinbare Manko können ältere Arbeitnehmer aber mehr als ausgleichen. Positiv wirken sich vor allem die größere Lebens- und Berufserfahrung aus. Zudem kennen sie die internen Abläufe eines Unternehmens viel besser als junge Mitarbeiter. Ältere Arbeitnehmer überzeugen darüber hinaus oft mit einer präziseren Arbeitsweise und einem höheren Qualitätsbewusstsein, was sich insgesamt positiv auf die Produktivität auswirkt. 
 

Mangelnde Flexibilität – ein Trugschluss

Dass ältere Arbeitnehmer deutlich besser sind als ihr Ruf, bestätigte auch das Institut der deutschen Wirtschaft mit einer umfangreichen Studie. Neben hoher sozialer Kompetenz, Disziplin, Loyalität und Souveränität sehen die Forscher auch eine größere Stressresistenz als deutliches Plus für ältere Arbeitnehmer. Das qualifiziere sie auch für Projektarbeiten an verschiedenen Standorten. Ein wichtiger Faktor, der in diesem Zusammenhang für ältere Arbeitnehmer spreche, ist neben der Erfahrung ein ausgebautes berufliches Netzwerk. Erfahrene Mitarbeiter würden neuen Herausforderungen mit bewährten Strategien zur Problemlösung begegnen und benötigten dadurch insgesamt eine kürzere Einarbeitungszeit. Dies gelte insbesondere, wenn ältere Arbeitnehmer auf ihre körperliche und geistige Fitness achten, beispielsweise durch die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen. 

Diese Einschätzung bestätigt eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Die Forscher gingen der Frage nach, mit welchen Maßnahmen ein Verbleiben älterer Arbeitnehmer im Arbeitsprozess bis zum Erreichen des Rentenalters erreicht werden könne. Das Ergebnis: Die Motivation für ältere Arbeitnehmer ist dann am größten, wenn sie in Teams mit einer gemischten Altersstruktur arbeiten. Hier können erfahrene Mitarbeiter ihren Erfahrungsschatz optimal einbringen und werden zugleich von ihren jüngeren Kollegen angespornt. 
 

Ältere Arbeitnehmer gewinnen und halten – eine Herausforderung?

Dass ältere Arbeitnehmer von Unternehmen gern eingestellt werden, zeigte sich bei der Initiative „Perspektive 50plus“ des Bundesarbeitsministeriums. Diese widmete sich zwischen 2005 und 2015 gezielt der Vermittlung von älteren Arbeitnehmern. Arbeitgeber, die verstärkt ältere Arbeitnehmer einstellen wollen, müssen sich jedoch von den klassischen Personalmarketing-Maßnahmen verabschieden. Mit Praktika oder Hochschulmessen erreicht man diese Zielgruppe ebenso wenig wie mit Social-Media-Aktivitäten. Eher angesprochen werden ältere Mitarbeiter durch Anzeigen auf Online-Jobbörsen oder offline mit Printanzeigen. Während in den USA Senioren direkt an den Auszahlungsstellen für die Pension angesprochen werden, nutzen Unternehmen in Deutschland etwa großformatige Aushänge in Supermärkten oder Anzeigen in klassischen Printmedien. Zusätzlich zu diesen Bemühungen müssen Unternehmen intern Voraussetzungen schaffen, um ältere Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden. Das beginnt beim Führungsstil und endet bei Möglichkeiten zur individuellen Fortbildung. Beispielsweise schätzen ältere Arbeitnehmer nach einem langen Berufsleben eigenverantwortliches Arbeiten. 
 

Fachkräftemangel: Sind ältere Arbeitnehmer eine Chance für den Arbeitsmarkt?

Schon jetzt werden in verschiedenen Branchen die Fachkräfte knapp, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln im Februar 2014 feststellte. Probleme bei der Besetzung von Stellen spüren vor allem die Branchen Informatik und Gesundheitswesen. Weil davon auszugehen ist, dass sich diese Situation in den kommenden Jahren eher noch verschärft, planen viele Unternehmen einen Strategiewechsel, darunter die Umwandlung von Teilzeitstellen in Vollzeitbeschäftigung. Dies könnte durchaus auch eine Chance für ältere Arbeitnehmer darstellen, die in den vergangenen Jahren in die Altersteilzeit verabschiedet und damit schon vor dem Erreichen des Rentenalters auf den Ruhestand vorbereitet wurden. 

Fazit: Trotz scheinbarer Mankos wie einer geringeren Leistungsfähigkeit sind ältere Arbeitnehmer eine produktive Bereicherung für die Belegschaft. Eingebunden in Teams mit einer gemischten Altersstruktur geben ältere Mitarbeiter ihre Erfahrungen an junge Kollegen weiter. Sie punkten durch interne Kenntnisse und ein ausgebautes Netzwerk. Diese verlässlichen Kontakte sind wertvolles Kapital für jedes Unternehmen.