Auf der Höhe der Zeit zu bleiben, Strategien und Prozesse ständig anpassen. Das stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Change Management lautet das Zauberwort. Bereit sein, sich zu verändern und ständig neu zu erfinden. Sei es, dass die Produktion umstrukturiert oder Geschäftsprozesse vereinheitlicht werden müssen. Wie schafft man es, internationale Märkte zu erschließen, den Wettbewerbern zu trotzen und den Wandel zu schaffen? Vor diesen Problemen stand das Dresdner Unternehmen DAS Environmental Expert. Die Firma baut Reinigungsanlagen für Abgase, die bei der Halbleiterproduktion entstehen. »Wir waren getrieben von den Investitionen der Halbleiterindustrie«, sagt Geschäftsführer René Reichardt. »Unser Geschäft schwankte stark und unterlag den Zyklen der Branche. So konnte es nicht weitergehen, Wachstum war nicht möglich.« Reichardt und sein Vater, der Firmengründer, überlegten, in welchen Branchen sie ihre Anlagen noch zum Einsatz bringen könnten.

Mit der Abgasreinigung startete Reichardt Senior vor 25 Jahren. Für die Gase, die beim Beschichten und Ätzen der Chips entstehen, gab es noch keine umfassende Lösung. Klimaschädigende Abgase, die durchaus brennbar und explosiv sein können, wurden frei. Bei der Produktion werden mikrodünne Scheiben, die Wafer, durch verschiedene Kammern geführt, Gase kommen hinzu, die mit einer Vakuumpumpe wieder entfernt werden. Die DAS-Anlagen stehen häufig auf kleinstem Raum, keine zwei Quadratmeter groß, eine Etage unter der Prozessanlage. Gereinigt wird mit einer heißen Flamme, die Gase crackt, danach werden Stäube herausgewaschen. Sicherheit steht an erster Stelle, damit Hitze und Wasser die explosiven Gase unschädlich machen und am Ende auch wirklich saubere Luft herauskommt.


Neue Branchen erobern

Reinigung ist die Kernkompetenz des Dresdner Unternehmens. Was können wir noch reinigen, lautete deshalb die Frage in der DAS-Geschäftsführung. Gleichzeitig fühlte man sich auch der Umweltbranche zugehörig. Zu sauberer Luft passt sauberes Wasser. »Vor zehn Jahren fingen wir an, Verfahrenstechnik zur Wasseraufbereitung zu fertigen«, sagt Reichardt. Man baute Industriekläranlagen, in denen Abwässer vorgereinigt werden, bevor sie zu einem kommunalen Reinigungsunternehmen gebracht werden. Das neue Geschäftsfeld brachte DAS Kunden aus verschiedensten Branchen wie der Papier-, Textil- und Solarindustrie. Aber auch in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie gibt es organisch belastete Abwässer zu reinigen oder Sickerwasser aus Deponien zu klären. Ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit war getan.

Gleichzeitig richtete man sich auch mit den Anlagen zur Abgasreinigung auf Kunden anderer Branchen ein. Bei Solaranlagen, Flachbildschirmen und in der LED-Produktion wurden die Reichardts fündig und setzen inzwischen rund 50 Millionen Euro im Jahr mit ihrer Umwelttechnologie um. »Unser oberstes Ziel war, uns von der Halbleiterindustrie unabhängig zu machen. Das haben wir geschafft«, sagt René Reichardt. »Uns standen zum Glück genügend finanzielle Mittel zur Verfügung, wir brauchten kein Fremdkapital, zum anderen aber wollten wir selber lernen und haben unser Wissen so sukzessive über die Jahre hin ganz langsam ausgebaut. Wir haben einen Prozess durchlaufen.«

Change Management aus dem Lehrbuch, könnte man wohl sagen. Wandel erreichen, indem bestehende Geschäftsfelder weiterentwickelt und neue erschlossen werden. Dabei geht es vor allem darum, neue Markt- und Marketing-Chancen zu identifizieren, Kunden und Wettbewerber zu analysieren und aus diesem Wissen schließlich konkrete Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Auf einem idealtypischen Business Development-Plan fehlt dann nur noch, das Geschäft auf regionale und internationale Märkte auszudehnen. 
 

Quotation mark

Da es schon zu DDR-Zeiten eine Halbleiterindustrie in Sachsen gab, war es einfach, die Anlagen hier zu entwickeln.


Von Dresden in die ganze Welt

 »Unsere Kunden sind vor allem in Asien ansässig. Uns blieb also gar nichts anderes übrig, als diesen Markt zu erschließen«, sagt Reichardt. Für Halbleiter und Fotovoltaik ist DAS verstärkt in China tätig. Doch das erste Geschäft führte Reichardt Senior nach Taiwan. »Dort konnte er unseren ersten Großauftrag von 50 Anlagen hier in Dresden von Infineon präsentieren. Das war unsere Referenz 1997. Wir wussten, dass sich die Industrien in Asien sehr schnell ausbreiten werden. Vor allem mein Vater, der war praktisch die Hälfte des Jahres in Asien. Hat dort Büros aufgebaut, Mitarbeiter geschult, Servicemitarbeiter hingeschickt.« Für René Reichardt war gar nicht das anlaufende Asiengeschäft der Grund, sich dort niederzulassen. Einer seiner ersten Alleinurlaube führte ihn als Backpacker dorthin und so entstand der Wunsch, in Asien zu leben. 2004 ging er dann doch im Unternehmensauftrag für fünf Jahre nach China und Vietnam.

Der Wandel stellte das Unternehmen auch vor unerwartete Probleme. Die Reinigung von Abgasen und Abwasser unterschied sich stärker voneinander als gedacht. Das Abgasgeschäft besteht hauptsächlich im Bau der Anlagen. Sie werden am Unternehmensstandort in Dresden gefertigt und von dort aus verschifft. Bei Abwasser handelt es sich eher um ein Projektgeschäft. Weil jede Anlage einzigartig ist, finden im Haus nur Vertrieb und Planung statt, die Anlagen aber werden erst beim Kunden zusammengebaut. Und so führt man beide Geschäftsbereiche getrennt voneinander. Noch erwirtschaftet die Abgasreinigung 90 Prozent des Umsatzes. »Wir müssen weiter wachsen, die Wettbewerber tun es auch. Stillstand würde uns vom Markt verdrängen«, sagt René Reichardt, »erfolgreich bleiben wir nur, wenn wir ständig ein gleichbleibend hohes Maß an Qualität liefern.«

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