Was sich hinter dem Country-by-Country-Reporting verbirgt

Cum-Ex-Geschäfte und “Paradise-Papers” – das sind nur zwei Beispiele für Steuerskandale der jüngeren Vergangenheit. Begünstigt wurden sie unter anderem durch Gesetzeslücken, die verschleiernde Buchführung ermöglichten. Um das künftig zu verhindern, haben die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Gruppe der Zwanzig (G20) sowie sämtliche Schwellen- und Entwicklungsländer das BEPS-Projekt gegründet. Die Abkürzung BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting, also für Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung.

Das Ziel der Initiative sind besser aufeinander abgestimmte Steuerrechtssysteme der beteiligten Länder sowie weniger unfairer Steuerwettbewerb von einigen Staaten, die damit Steuerschlupflöcher schaffen. Das soll verhindern, dass international agierende Konzerne ihre Steuerlast ungerechtfertigt verlagern und reduzieren können und so den Wettbewerb – vor allem auf Kosten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – verzerren.

Seit 2016 sind sogenannte Country-by-Country-Reportings (CbCR), auch Ertragsteuerinformationsberichte genannt, Teil des BEPS-Projekts. Darin müssen multinationale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro (in zwei aufeinanderfolgenden Jahren) und einem Sitz oder einer Zweigniederlassung in EU-Mitgliedstaaten den jeweiligen Finanzbehörden bestimmte Kennzahlen mitteilen. Darunter fallen unter anderem Angaben zu:
 

  • Umsatzerlösen
  • gezahlten Ertragsteuern
  • Gewinn
  • Eigenkapital
  • Anzahl der Beschäftigten
  • sämtlichen Konzerneinheiten und deren Hauptgeschäftstätigkeit

Das Ziel ist es, den Finanzbehörden Informationen zu grenzüberschreitenden Konzernstrukturen an die Hand zu geben. Außerdem sollen die länderübergreifenden Berichte und der Austausch zwischen den Finanzbehörden die Überprüfung der Angaben zu erleichtern.

Neu ist, dass betreffende Konzerne in den EU-Mitgliedsstaaten ihre Country-by-Country-Reportings künftig in weiten Teilen öffentlich machen müssen. Und zwar spätestens für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 22. Juni 2024 beginnen. Für die Erstellung haben die Unternehmen ein Jahr Zeit. Die ersten öffentlichen CbCR müssen somit Mitte 2025 vorgelegt werden. Die entsprechende Ergänzung der EU-Bilanzrichtlinie trat am 21. Dezember 2021 in Kraft.

Öffentliches Country-by-Country-Reporting soll die Steueraktivitäten international tätiger Unternehmen transparenter und nachvollziehbarer machen. Durch die Auskunft stehen die Unternehmen unter öffentlicher Kontrolle. Der Gesetzgeber will so mehr Steuerehrlichkeit erreichen. Das Kalkül dahinter: Die höhere Durchsichtigkeit erzeugt stärkeren öffentlichen Druck. Außerdem sollen mit öffentlichen CbCR künstliche Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer leichter aufgedeckt werden können.
 

Öffentliches Country-by-Country-Reporting: Tipps für die Praxis

Adressat deutscher Konzerne für öffentliche Country-by-Country-Reportings ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Die Übermittlung hat über die sogenannte Massendatenschnittstelle (ELMA) zu erfolgen. Das BZSt teilt die Daten anschließend mit allen darin einbezogenen Behörden und Institutionen. Auch mit jenen in Ländern, mit denen ein multilaterales oder bilaterales Datenaustauschabkommen besteht.

Seit Mitte 2021 wertet das Bundeszentralamt für Steuern die bis 2018 eingereichten (noch nicht öffentlichen) Country-by-Country-Reportings aus. Dabei zeigte sich, worauf Unternehmen künftig bei der Erstellung besonderes Augenmerk legen sollten. So hakte das BZSt häufig nach wegen mangelnder Datengüte und Abstimmbarkeit mit dem zugrundeliegenden Jahresabschluss oder Konzernabschluss.

Für ihr öffentliches Country-by-Country-Reporting sollten Unternehmen also darauf achten, dass die darin enthaltenen Daten …
 

  • vollständig,
  • valide,
  • gut ableitbar und
  • qualitativ hochwertig sind.

Andernfalls kann es zu Rückfragen des BZSt kommen. Auch die Forderung nach einem überarbeiteten öffentlichen Country-by-Country-Reporting ist möglich. Dadurch würde weiterer Aufwand entstehen.
 


Die Kritik am öffentlichen Country-by-Country-Reporting

Der Sinn und Zweck des öffentlichen Country-by-Country-Reportings ist ein Plus an Steuergerechtigkeit. Dieses Ziel wird auch weitgehend unterstützt. Manche Akteure und Beobachter sind jedoch unzufrieden mit der Art und Weise, wie es erreicht werden soll. Hier Beispiele für Kritik am öffentlichen Country-by-Country-Reporting.

„Eine detaillierte Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass die mit einem öffentlichen Reporting verbundenen Kosten der Unternehmen den allgemeinen Nutzen übersteigen werden.“ Diese Meinung vertritt Prof. Christoph Spengel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einer Studie, die er für die Stiftung Familienunternehmen erstellt hat. Auch hält er das Vorhaben für „wirkungslos im Kampf gegen Steuerflucht“. So hätten sich bei bestimmten Branchen, die bereits jetzt länderspezifische Berichte öffentlich machen müssten, keine positiven Effekte gezeigt. Abgesehen davon müssten unternehmensinterne Daten öffentlich zugänglich gemacht werden, die Wettbewerber zu ihrem Vorteil nutzen könnten.

So sieht es auch der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Für dessen Hauptgeschäftsführer Joachim Lang ist das öffentliche Country-by-Country-Reporting „ein harter Schlag für den Wirtschaftsstandort Europa”. Denn die publizierten Informationen erlaubten der Konkurrenz in Drittländern Rückschlüsse hinsichtlich von „Kostenstrukturen, Preispolitik und Gewinnmargen“.

Die globale Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam unterstützt zwar grundsätzlich öffentliches Country-by-Country-Reporting, hält es aber für lückenhaft. So müssten Unternehmen weiterhin keine Angaben zu ihren steuerlichen Aktivitäten „in vielen Steueroasen wie Bermuda, den Cayman Islands oder der Schweiz“ machen. Denn diese stünden nicht auf der „EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete“, die für CbCR berücksichtigt werden müssen. Auch gelte die Berichtspflicht nur für Konzerne mit hohen Jahresumsätzen. „Dies schließt 85–90 Prozent der multinationalen Unternehmen aus.“

 

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