„Protektionistische Maßnahmen um mehr als 35 Prozent gestiegen“
Freier Handel gilt als die ideale Grundlage internationaler Wirtschaftsbeziehungen. Doch die Realität sieht anders aus: In den vergangenen Jahren haben verschiedene Faktoren zu mehr und mehr Handelshemmnissen auf der globalen Bühne geführt.
Dazu schreibt Prof. Dr. Lisandra Flach, unter anderem Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Allein zwischen dem Beginn der Pandemie und dem Jahr 2022 ist die Zahl der weltweit neu eingeführten protektionistischen Maßnahmen um mehr als 35 Prozent gestiegen.” Dieser Trend treibt (nicht nur) für deutsche Unternehmen die Kosten hoch und belastet ihre weltweiten Lieferketten.
Das unterstreicht die bundesweite Umfrage „Going International 2024“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), die im März 2024 veröffentlicht wurde. An der Erhebung, die vom 25. Januar bis zum 11. Februar 2024 lief, nahmen knapp 2.400 auslandsaktive Unternehmen mit Sitz in Deutschland teil.
- 61 Prozent von ihnen nehmen für die vergangenen zwölf Monate eine ansteigende Anzahl von Handelshemmnissen bei ihren internationalen Geschäften wahr.
- Die Unternehmen klagen insbesondere über die Folgen lokaler Zertifizierungs- und verstärkter Sicherheitsanforderungen, wirtschaftlicher Sanktionen, komplexer Gesetzgebung, höherer Zölle und Local-Content-Bestimmungen.
- 26 Prozent erwarten eine negative Entwicklung ihrer Auslandsgeschäfte im laufenden Jahr. Nur 13 Prozent rechnen mit einer Verbesserung.
- Die düstere Prognose gilt aus Sicht der deutschen Betriebe für nahezu den gesamten internationalen Handel. Die einzige Ausnahme ist das US-Geschäft. Da sagen die Unternehmen für die kommenden zwölf Monate eine Aufhellung voraus.
- Auch innerhalb Deutschlands und Europas nehmen die Handelshemmnisse laut der Umfrage zu. 81 Prozent der Unternehmen melden heimische Beeinträchtigungen im internationalen Geschäft. 60 Prozent dieser Betriebe führen hier Faktoren an wie Bürokratie und Unsicherheit bei der Umsetzung regulatorischer Pflichten (z. B. der CO₂-Grenzausgleich der Europäischen Union oder das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz). 57 Prozent monieren lange Genehmigungsverfahren des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder eine komplexe Zollabwicklung.
Lösungen auf politischer Ebene finden
Die meisten Handelshemmnisse sind politisch motiviert. Einzelne Länder oder Regionen wollen damit in der Regel ihre nationalen Unternehmen im globalen Wettbewerb unterstützen. Dabei nutzen sie sowohl tarifäre Handelshemmnisse (z. B. Einfuhrzölle, Mindestpreise für ausländische Waren, staatliche Subventionen) als auch nichttarifäre Handelshemmnisse (Importquoten oder Handelskontingente).
Derlei Maßnahmen sind mit Vorschriften und Standards verbunden, die für ausländische Unternehmen Nachteile bedeuten. Um die unterschiedlichen Bestimmungen umzusetzen, müssen sie viel Geld und Zeit aufwenden. Deshalb werden ihre Waren und Dienstleistungen im Vergleich teurer und sind somit weniger konkurrenzfähig.
Lösungen auf globaler Bühne lassen sich nur über eine engagierte deutsche und europäische Wirtschafts- und Handelspolitik finden. Hier sind die Regierungen gefordert, gemeinsam für mehr freien bi- und multilateralen Austausch von Waren und Dienstleistungen zu sorgen. Erreichen lässt sich das beispielsweise mittels Handelsabkommen und strategischer Partnerschaften.
Diese Möglichkeiten haben Unternehmen
Im Ausland aktive Unternehmen können über ihre Verbände, Interessenvertretungen oder Lobbyarbeit auf politische Akteure einwirken und auf die Beseitigung von Handelshemmnissen drängen. Direkten Einfluss darauf haben sie aber kaum. Deshalb müssen sie sich bestmöglich auf die gegebene Situation einstellen und anpassen. Dafür stehen ihnen vor allem drei Möglichkeiten offen.
Regeln und Vorschriften verstehen
Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die internationale Regulierungslandschaft wandelt, fällt es vielen Unternehmen schwer, neue und bevorstehende Änderungen und deren Bedeutung für sich zu erkennen.
Darüber hinaus nutzen viele die bestehenden Handelsabkommen nicht vollständig aus. Nach Angaben der Welthandelsorganisation (WTO) bestehen derzeit fast 400 regionale Handelsabkommen. Doch oftmals wenden die Betriebe diese Vereinbarungen und ihre Vorteile nicht optimal an.
Mit einem besseren Verständnis der in Handelsabkommen festgelegten Regeln und Präferenzen können Unternehmen ihre Lieferketten optimieren, Zölle auf importierte Waren minimieren und so ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten verbessern. Dies gilt auch für die Verwaltung des Haftungsniveaus und die Verringerung von Handels-Compliance-Risiken.
Daten erheben, Transparenz schaffen
Das Sammeln und Verwalten der riesigen Daten- und Informationsmengen, die durch komplexe Lieferketten generiert werden, ist eine häufige Herausforderung für Unternehmen. Eine große Hürde ist hier der Mangel an Echtzeittransparenz: Nur wenige Unternehmen verfügen über eine durchgängige Sichtbarkeit ihrer gesamten Lieferkette.
Lösen sie dieses Problem, dann erreichen sie eine bessere Transparenz und Rückverfolgbarkeit und können die Einhaltung relevanter Lieferkettenvorschriften einfacher nachweisen. Außerdem sind sie in der Lage, Risiken frühzeitig zu erkennen und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bevor sie womöglich gegen relevante Regeln verstoßen. Möglich machen das Systeme mit Tracking-, Auswertungs- und Berichtsfunktionen in Echtzeit. So lassen sich vollständige End-to-End-Transparenz, eine umfassende Analyse sowie proaktives Management erzielen.
Starke Partnerschaften aufbauen
Die Wahl eines Partners für ein gemeinsames Engagement zwecks Einhaltung von Regeln und Vorschriften ist ein erster Schritt. Die richtigen Lieferkettenpartner verstehen bereits die regulatorischen Vorgaben und Verpflichtungen eines Marktumfelds. Sie können Anleitung geben und Unterstützung leisten, um die Einhaltung sicherzustellen. Im Idealfall verfügt ein globales Unternehmen über Partner mit lokalem Wissen und einer starken Partnerschaft, um diese für die eigene Stärke zu nutzen.