Wie viel Digitalisierung verträgt der Fußball auf dem Platz? Schon die Einführung moderner Torlinientechnik hat ja für breite Diskussionen und einigen Widerstand gesorgt.

Fußball und auch andere Sportarten zeigen sich mitunter ziemlich beratungsresistent, was digitale Möglichkeiten betrifft. Wenn es hier zu technikbasierten Regeländerungen kommt, geschieht dies meist aus Vermarktungsgründen. Ein weiteres Ziel ist es, die Sichtbarkeit im TV zu erhöhen. Da im Fußball immer alles ein wenig emotionaler zugeht, wurde auch die Torlinientechnik entsprechend diskutiert. In ein paar Monaten wird das aber zur Normalität gehören und vielleicht wird es auch schon bald Schiedsrichter geben, die wie im Hockey oder American Football die Entscheidungen auf dem Feld am Screen noch einmal verifizieren. Die Schattenseite ist allerdings, dass sich der Profisport damit immer weiter von seiner Amateurbasis entfernen wird.

Welche digitalen Neuerungen auf dem Platz könnten Sie sich vorstellen? Steht dann eher die Nützlichkeit für Spieler und Trainer im Vordergrund oder das Erlebnis für den Konsumenten?

Schon jetzt nutzen Vereine und Athleten im Training Sensoren, um ihre Leistung zu protokollieren und entsprechend zu verbessern. Während des Spiels erhobene Daten können ebenfalls für die TV-Zuschauer völlig neue Perspektiven liefern.

In den USA haben Besucher zum Beispiel die Möglichkeit, per App Essen und Getränke zum Platz zu bestellen oder die wichtigsten Spielszenen nachzuverfolgen. Ich glaube jedoch nicht, dass wir derartige Angebote außerhalb des VIP-Bereiches sehen werden, weil hierzulande die Fußballkultur doch eine andere Rolle spielt. Den meisten Zuschauern ist immer noch am wichtigsten, in der Halbzeitpause stabil ins Internet gehen zu können, wenn sie in der Bratwurstschlange warten.

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Die Schattenseite ist allerdings, dass sich der Profisport damit immer weiter von seiner Amateurbasis entfernen wird. 

Die Vorstellung, Spiele zu betrachten und dabei Informationen über Spieler oder Statistiken in Echtzeit abrufen zu können, fasziniert ja nicht nur den Zuschauer. Welche Rolle könnte Augmented Reality in der Spielanalyse spielen?

Für die Spielanalyse reichen schon jetzt Kameras, um die Laufwege und Passrouten zu studieren. Augmented Reality wird höchstens für den Fan interessant, wenn beispielsweise Ligen wie die NFL, NBA und auch MLB ihre Inhalte direkt vermarkten und mittels der neuen Technologie das Wohnzimmer gleichsam ins Stadion holen. Aber solange in Deutschland und Europa die Fernsehanstalten die Rechte halten, wird die Entwicklung deutlich langsamer ablaufen. Sky mutet seinen Zuschauern beispielsweise beim Top-Spiel der Woche pro Halbzeit nur wenige augmentierte Grafiken mit Live-Daten zu. In dem sogenannten Player Tracking werden dann Laufwege gemessen und analysiert und darüber hinaus Geschwindigkeit, Laufleistung, Ballkontakte oder Rauten-Formationen der Spieler grafisch dargestellt. 

Halten Sie es für denkbar, dass wir Fußballspiele zukünftig virtuell, live und in jedem Stadion auf der Welt verfolgen können? Gibt es schon Überlegungen oder Planungen in die Richtung?

Virtual Reality ist sicherlich eines der am meisten diskutierten Themen innerhalb des Sportmarketings und wird schon jetzt von Quarterbacks zur Spielvorbereitung genutzt. Sollte wirklich schon 2016 der Durchbruch gelingen, könnte das Champions League Finale an jedem Ort der Welt wie live in der Fankurve erlebt werden. Kinos haben mit der Übertragung von Live-Events ja schon einige Erfahrungen gesammelt. 

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Augmented Reality wird interessant, wenn Ligen mittels der neuen Technologie das Wohnzimmer gleichsam ins Stadion holen.

Jeder Spieler scheint ja heute einen Twitter- und Instagram-Account zu haben. Welche Rolle spielen digitale Kommunikationsmittel im Fußball? Hat die Digitalisierung endgültig dazu geführt, dass im Fußball alles und jeder eine Marke ist?

Ja, letzten Endes ist das die Folge. Ronaldo, Neymar und Messi haben nicht nur die meisten Fans in den sozialen Netzwerken, sondern auch die höchsten Gehälter und bestdotiertesten Werbeverträge. Außerdem teilen sie sich regelmäßig die Top-Plätze bei Ehrungen und Awards. Hierbei ist die Entwicklung im Fußball aber nicht anders als in den übrigen Teilen der Gesellschaft: Was online nicht auffindbar ist, scheint in der Realität nicht mehr vorhanden zu sein. 

Denken Sie, die Kommunikation über digitale Medien haben Fußball und Fußballvereine noch populärer gemacht?

Richtig, denn die Medienvielfalt ist schließlich mit den Online-Medien stark gewachsen. Zudem haben nun die Athleten einen Weg gefunden, direkt mit ihren Fans zu kommunizieren. Aus diesen Häppchen werden dann Meldungen gebaut und als News deklariert. Wobei meiner Meinung nach viele Berichterstatter hier regelmäßig über das Ziel hinaus schießen. Fußballfans wissen doch, dass mit drei Niederlagen zu Saisonbeginn die Stimmung zwar schlecht, aber ein Abstieg längst noch nicht besiegelt ist. 

Trotz digitaler Medien wie Live-Ticker sind die Stadien voll und die Einschaltquoten hoch. Könnten digitale Medien das traditionelle Live-Erlebnis trotzdem irgendwann ganz ersetzen?

Durch die Skandale bei IOC, FIFA und auch DFB könnte der Sport insgesamt weiter unter gesellschaftlichen und medialen Druck geraten, sodass die Zuschauerrekorde von einst nicht mehr erreicht werden. Auch eine gewisse Langeweile in der Liga könnte die Lust auf den Stadionbesuch schmälern, immerhin spielen immer dieselben Vereine um Meisterschaft und Abstieg. Von daher ist es für die Verantwortlichen wichtig, ihre Inhalte digital besser zu vermarkten und das Ganze weiter auszubauen. 

Herr Rode, vielen Dank für das Interview.