Seinen Start als Apotheker hatte sich René Weigand eigentlich weniger rasant vorgestellt: Kaum hatte er sein Staatsexamen absolviert und erste praktische Erfahrungen gesammelt, konnte er im November 2010 die Liebig-Apotheke in Dillenburg eröffnen. „Zu Beginn hatte ich pro Tag 40 bis 50 Kunden. Das war eigentlich schon ganz in Ordnung, um finanziell über die Runden zu kommen, aber perspektivisch sollten es natürlich mehr werden“, sagt der Jungunternehmer. Für seine Marketing- und Werbeideen brauchte er Geld. Bei der Kreditsuche wurde er bei der Hessischen WI-Bank fündig. Die vom Vorbesitzer geschlossene Apotheke entwickelte sich unter seiner Leitung so gut, dass er nur gut ein Jahr später eine zweite übernehmen konnte. Sein Erfolgsrezept: Er gewann viele Patienten des Ärztehauses, in dem die Apotheke untergebracht war, richtete einen Lieferservice ein, der Medikamente zu den Kunden nach Hause brachte, und setzte auf gute Beratung. Unternehmensfinanzierung im Mittelstand wandelt sich bereits seit Jahren. Klassische Fremdkapitalfinanzierungen über Banken sind auf dem Rückzug, Unternehmen müssen sich nach alternativen Formen umsehen, um ihren Liquiditätsbedarf für Wachstumsprojekte, die Abwicklung von Großaufträgen oder die Finanzierung von Unternehmenskäufen zu decken. Die hessische Landesregierung hat deshalb ihr Angebot neu ausgerichtet: „Wir erweitern bestehende Kreditangebote und ergänzen unsere Förderung um einen neuen, privat kofinanzierten Innovationsfonds“, erklärte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir kürzlich das Konzept. Dabei habe man vor allem ITStart- ups und innovative Unternehmen im Blick, die es schwer haben, zu akzeptablen Konditionen Kredite von Banken und Sparkassen zu erhalten. Michael Reckhard, Mitglied der Geschäftsleitung der hessischen Förderbank WI-Bank, hat festgestellt, dass es gerade zur Finanzierung von risikoreichen Unternehmen, aber auch bei der Unternehmensnachfolge eine steigende Nachfrage gibt. „Genau diesen Unternehmen machen wir nun ein konkretes Angebot“, sagt er. 

Was brauche ich eigentlich?

Mittlerweile sind Finanzierungen – bis hin zur Nutzung des Kapitalmarktes – für mittelständische Unternehmer auf vielfältige Weise möglich. Für einige ist nicht einmal die sonst obligatorische persönliche Bürgschaft des mittelständischen Unternehmers nötig. Neben den klassischen Bürgschaftsbanken der Länder zählen dazu das Factoring, also der Verkauf von Forderungen, oder das Leasing. Zu dieser Kategorie werden auch andere vertragliche Gestaltungsformen zwischen Bank, Unternehmen, Kunden und Lieferanten gezählt. Das kann ein Projektsonderkonto sein oder eine andere Spezialfinanzierung. Ebenso populär sind Finanzierungen über Beteiligungsgesellschaften. Die Beteiligung kann offen oder still erfolgen. Der Vorteil liegt darin, dass die Risiken zwischen Beteiligungsgesellschaft und Unternehmen geteilt sind. Das gilt allerdings auch für Gewinne und Mitspracherechte. Inzwischen gewinnen aber auch andere alternative Finanzierungsinstrumente wie Mezzanine- und Beteiligungskapital immer mehr an Bedeutung bei der Unternehmensfinanzierung. War früher eine Finanzierung mit Mezzanine-Kapital nur für Großunternehmen möglich, ist sie inzwischen auch für Mittelständler eine Alternative. Durch Standardisierungen gibt es Programme ab 500.000 Euro. Der Begriff Mezzanine stammt übrigens aus der Architektur und bezeichnet ein Zwischengeschoss. Mezzanine-Kapital ist also eine Zwischenform von Eigen- und Fremdkapital. Es kann als Nachrangdarlehen oder als Inhaberschuldverschreibung gewährt werden. Im Vergleich zum traditionellen Bankkredit ist in der Regel allerdings die Verzinsung höher, und die Kreditauflagen sind komplexer. 

Richtig investieren und Turbo zünden

Auch die Möglichkeit, sich Geld auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen, ist für den Mittelstand einfacher geworden. Früher waren nur Großunternehmen in der Lage, Unternehmensanleihen oder Genussscheine herauszugeben, weil die Finanzierungstranchen erst ab etwa 50 Millionen Euro begannen. Heute können Unternehmen bereits ab einem Volumen von fünf oder sechs Millionen Euro Unternehmensanleihen emittieren. Bei der Platzierung solcher „Mini-Bonds“ werden die Betriebe in der Regel von professionellen Partnern begleitet. Das Kreditvolumen, das Rieke Rauert aus Frankfurt benötigte, nahm sich deutlich bescheidener aus. Dennoch half ihr ein Kredit, nachhaltig zu investieren. Die Home Stagerin richtet zum Verkauf stehende Immobilien ansprechend ein, wodurch sich bis zu 15 Prozent höhere Preise erzielen lassen. Die Unternehmerin erweiterte ihre Grundausstattung und investierte in Werbemittel. Zwei Jahre später hat sich ihr Netzwerk stark vergrößert, und sie stattet nun hauptsächlich Musterwohnungen für Bauträger aus. „Ich konnte meine Ideen schneller realisieren und mein Unternehmen voranbringen“, sagt Rauert. „Ohne den Kredit hätte das sehr viel mehr Zeit in Anspruch genommen.“ Auch für Apotheker René Weigand war der Kredit das Erfolgsgeheimnis, seine Ideen schneller realisieren zu können. Die Kundenzahl hat sich seit der Eröffnung mehr als verdoppelt. „Man muss sich von anderen abheben“, sagt Weigang, „und die eigene Nische finden.“ 
 

Mehr Förderung

Die Übersicht zeigt die neuen und überarbeiteten Angebote der hessischen Wirtschaftsund Infrastrukturbank (WI-Bank). 

Innovationskredit Hessen

Der neu konzipierte Innovationskredit Hessen richtet sich an schnell wachsende Unternehmer und Gründer. Kredite werden von 100.000 Euro bis 7,5 Millionen Euro über die Hausbanken gewährt. Der Kredit kann für Investitionen, Betriebsmittel und Übernahmen eingesetzt werden. Land, WI-Bank und Europäischer Investment Fonds (EIF) übernehmen 70 Prozent des Ausfallrisikos, 30 Prozent des Risikos tragen die jeweiligen Hausbanken. Besonderheit: Der Innovations-Charakter muss beispielsweise über überdurchschnittliche Forschungs- und Entwicklungsausgaben, Innovationspreise oder Patentanmeldungen nachgewiesen werden. 

Kapital für Kleinunternehmen

Das Programm ist insbesondere für Handwerksbetriebe und sonstige Kleinbetriebe gedacht. Die Darlehenssumme wird von bislang 75.000 Euro auf 150.000 Euro verdoppelt. Die maximale Fördergröße der Betriebe wird von 15 Mitarbeitern auf 25 Mitarbeiter erhöht. Der maximale Jahresumsatz steigt von zwei auf fünf Millionen Euro. Neu ist auch die Möglichkeit, Regelungen für die Unternehmensnachfolge mitzufinanzieren. 

Mikrodarlehen

Der Förderhöchstbetrag wurde wegen der starken Nachfrage von 15.000 auf 25.000 Euro erhöht. Das Programm richtet sich insbesondere an einzelne Gründerinnen und Gründer sowie an Kleinunternehmen. Die Zahlen zeigen, dass Kreditverhandlungen von Firmen mit weniger als fünf Beschäftigten strukturell bedingt fünfmal häufiger scheitern als jene von größeren Mittelständlern. Dies möchte man künftig verhindern. 

Neuer Technologiefonds Hessen (TFH III)

Der Beteiligungsfonds richtet sich an technologieorientierte und innovative kleine und mittelständische Unternehmen mit hohen Wachstumsperspektiven. Finanziert wird vor allem die Early Stage-Phase, aber auch Unternehmensnachfolgeregelungen sind möglich. Geplant sind 15 bis 30 Investments mit einem Fondsvolumen von zwölf Millionen Euro. Am TFH III beteiligen sich mit jeweils 25 Prozent auch die DZ BANK und die Helaba als private Investoren.

 

Veranstaltungstipp Mittelstandstage:

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