Wer den Kollegen beim Mittagessen fragt, ob er auch gleich noch in die Disco mitkommt, erntet vermutlich verwunderte Blicke. Nicht so bei Otto in Hamburg – da ist diese Frage normal. Das Unternehmen hat als eines der ersten in Deutschland eine kreative Mittagspause eingeführt – erst gab es Lesungen, dann folgten Komiker und Sänger, und wenig später wurde getanzt. Vor zweieinhalb Jahren führte die Otto Group die aktiven Pausen ein, seither sind viele Firmen in Hamburg gefolgt.

Ein paar Beispiele: Die Mitarbeiter von Unilever verabreden sich mittags zum Laufen oder gehen ins firmeneigene Fitnesszentrum. Bei Beiersdorf trifft man sich zum Yoga oder zum Achtsamkeitskurs. Beim Halbleiterhersteller NXP finden mittags Blind Dates in der Kantine statt. Viele Unternehmen haben erkannt, dass es sich aus wirtschaftlicher Sicht lohnt, Mitarbeitern als Pause mehr zu bieten als nur den Gang in die Kantine.

Denn wer Sport treibt und nicht so gestresst ist, wird seltener krank und ist motivierter. Hinzu kommt: Für das Image eines Arbeitgebers ist es natürlich gut, wenn er nicht nur Schnitzel und Pommes im Angebot hat, sondern auch Kinofilme und Massagesessel.

Die kreative Pause wird also immer beliebter, zumindest bei den Großen. Aber was ist mit den mittelständischen Unternehmen? Mit denen, die sich keinen Gesundheitsmanager und kein Wellnesscenter leisten können? 

 

Starke Nachfrage

In Hamburg wenden sich immer mehr von ihnen an Kerstin Franke. Franke, 35, hat vor elf Jahren »Firmenfitness Franke« gegründet – eine Firma, die andere Firmen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung berät. Eines ihrer Angebote, und mittlerweile das gefragteste, ist die »aktive Pause«, die Unternehmen bei ihr bestellen können. Das heißt: Sie fährt mit ihren Mitarbeitern zu den jeweiligen Firmen, um deren Mitarbeitern eine kreative Pause zu bieten. »Wie die Pause gestaltet wird und wie lange sie dauert, hängt von den Firmen ab, und auch, wie lange sie ihre Mitarbeiter freistellen«, sagt Franke. Manchmal seien es nur zehn Minuten, manchmal auch 60. Eine solche Pause kann aus Yoga oder Rückenübungen im Konferenzraum bestehen – oder das Team wandert von Schreibtisch zu Schreibtisch und zeigt den Mitarbeitern Lockerungsübungen. 

»Als wir anfingen, hatten wir als Kunden vor allem große Unternehmen. Seit fünf Jahren sind es zunehmend Mittelständler«, sagt Franke. Denn mittlerweile hat die betriebliche Gesundheitsförderung in der Unternehmensführung einen so hohen Stellenwert bekommen, dass auch kleinere Unternehmen verstärkt Wert darauf legen. »Es geht ja nicht darum, dass alle Mitarbeiter aussehen wie Popeye, sondern darum, Zwangshaltungen auszugleichen«, so Franke, »und um die Work-Life-Balance – auch wenn ich das Wort nicht mag.« Außerdem fördere eine gemeinsame aktive Pause den Zusammenhalt der Kollegen.

 

Pause auf Bestellung

Ein ähnliches Konzept hat das Hamburger Start-up »Pausenkicker«. Auch hier können große Konzerne und Mittelständler die drei Gründerinnen Lena Wittneben, Katrin Wulff und Sina Morcinek für eine aktive Pause buchen. In ihren Aktiv-Vorträgen zeigen die drei alltagstaugliche Übungen für Körper, Kopf und Stimme. »Bei uns gibt es Methoden für eine bessere Konzentration und Merkfähigkeit, aber auch Übungen, um den Rücken zu lockern oder die Stimme zu trainieren«, sagt Katrin Wulff. »Für Leute, die viel am Telefon arbeiten, ist die ja das Aushängeschild.« Vor allem aber geben sie den Mitarbeitern Tipps, wie sie ihre Pausen auch sonst sinnvoll nutzen können. 

Denn genau das tun viele nicht. Das zeigte erst kürzlich die Studie »Betriebliches Gesundheitsmanagement 2016« der pronova BKK: Ihr zufolge nutzt ein Drittel der Arbeitnehmer Pausen, um Dienstliches zu besprechen, und fast 40 Prozent erledigen in dieser Zeit Aufgaben wie Einkaufen, Kleidung-zur-Reinigung-Bringen oder Termine organisieren. Das aber, so das Ergebnis der Studie, trägt nicht zur Erholung bei. In einer Pause solle man sich bewusst Zeit zur Entspannung nehmen – Pause ist eben nicht gleich Pause.

Quotation mark

Ich merke, dass die Menschen inspirierter sind und die zweite Tageshälte mit mehr Freude beginnen.

Es gibt aber auch Unternehmer wie Andreas Ollmann, die sich eigene Pausenkonzepte überlegt haben. Ollmann, 47, ist Geschäftsführer der »Ministry Group«, einer Agentur für digitale Kommunikation in Hamburg. Vor zwei Jahren hat Ollmann für seine knapp 60 Mitarbeiter eine alte Küche in einen Ruheraum umbauen lassen. Darin stehen jetzt ein Sofa und ein Massagesessel, es gibt Kerzen, eine Musikanlage und eine Lichtimpuls-Brille zur Entspannung. »Den Raum kann man buchen, sich massieren lassen oder ein Power-Nap machen«, sagt Ollmann. Und: »Kein anderer Raum ist so gut gebucht.« Dreimal in der Woche findet zudem morgens Büro-Yoga statt, mittags wird gemeinsam gekocht und gegessen.

Auch bei Otto sind die aktiven Pausen, die alle vier Wochen stattfinden, nicht mehr wegzudenken. Der Ablauf ist immer der gleiche: Erst gibt es Essen, dann eine Stunde Programm. »Wir haben dafür eine Lagerhalle ausgebaut, in der 200 Leute Platz haben«, sagt Jürgen Bock, Leiter der Unternehmenskultur. »Die Angebote sind so beliebt, dass nach zwei Stunden alles ausgebucht ist.« Er ist von der positiven Wirkung der Pausen überzeugt: »Ich merke, dass die Menschen inspirierter sind und die zweite Tageshälfte mit mehr Freude beginnen.«

Und überhaupt: Wer könne schon von sich sagen, dass er in der Mittagspause mit den Kollegen zum Tanzen geht?

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