Homeoffice ist in Deutschland noch die Ausnahme

Vor allem Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bieten ihren Mitarbeitern oft Homeoffice an. Dahinter steckt auch Kalkül: Die Heimarbeit macht Mitarbeiter zufriedener und loyaler, fand eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) heraus. Allerdings herrscht in Deutschland noch immer eine starke Präsenzkultur. 71 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter nicht von zu Hause aus arbeiten. Oft liegt das an technischen Voraussetzungen, so die Antwort der 771 befragten Personalverantwortlichen. 

Catbird Seat: „Unsere Arbeitsplätze müssen flexibel, mobil und digital sein“

Bei den meisten Firmen ist Homeoffice also die Ausnahme. Ganz anders beim Marketing-Dienstleister Catbird Seat. Ohne Homeoffice geht hier gar nichts. Wir haben bei der HR-Managerin Eva Hille nachgefragt, wie die Agentur Heimarbeit umsetzt und wie das funktioniert. 

Frau Hille, warum ist Homeoffice für Sie wichtig?

Eva Hille: Mittlerweile beschäftigt Catbird Seat über 60 Mitarbeiter an zwei Standorten. Als Berater im Digital Marketing müssen wir immer und von überall auf alle Daten und Anwendungen zugreifen können, schließlich sitzen unsere Kunden in ganz Deutschland. Deshalb versuchen wir, für unsere Mitarbeiter den bestmöglichen Arbeitsplatz zu schaffen – und der muss heute vor allem flexibel, mobil und digital sein. 

Mit welcher Software arbeiten Ihre Mitarbeiter im Homeoffice oder von unterwegs?

Unsere gesamte IT-Infrastruktur befindet sich in der Cloud (IaaS), dabei werden Rechen-, Speicher- und Netzwerk-Infrastruktur zur Verfügung gestellt und nach Bedarf angepasst oder erweitert. Office 365 und SharePoint bieten eine sichere Lösung, damit unsere Mitarbeiter von überall und auf fast jedem Gerät Dokumente erstellen und verwalten können. 

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Unsere gesamte IT-Infrastruktur befindet sich in der Cloud.

Welche Erfahrungen machen Sie mit Homeoffice?

Mit der zunehmenden Digitalisierung hat sich auch das Dienstleistungsangebot im Marketing verändert. Je flexibler aber ein Unternehmen die Arbeitszeiten gestaltet, desto höher wird der Leistungsdruck auf die Mitarbeiter. Trotz aller technologischen Möglichkeiten hat daher der gute alte, „analoge“ Schreibtisch als Arbeitsplatz auch bei uns nicht ausgedient. Die Herausforderung ist es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Anwesenheit, Arbeitszeit und Leistung im Einzelfall.

Wichtig ist es, von Anfang an klare Verhältnisse und Transparenz zu schaffen. Wir haben uns zum Beispiel bewusst gegen Kernarbeitszeiten entschieden. Im Wesentlichen ist das sowohl ein Zugeständnis an die persönlichen Wünsche unserer Mitarbeiter als auch die konsequente, strategische Ausrichtung unserer Agentur auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Je nachdem, wann unsere Kunden also aktiv sind, sind wir es auch. Ob unsere Berater dabei von zu Hause eine Analyse machen oder eine E-Mail schreiben, ist nicht so wichtig. 

Wie stellen Sie sicher, dass die Unternehmensprozesse eingehalten werden?

Als Agentur sind unsere Prozesse an Projektarbeit gebunden. Arbeitszeit und Aufgaben werden immer detailliert vor Projektbeginn festgehalten. Ob dann ein Mitarbeiter zu einer Konferenz via Telefon hinzugeschaltet wird oder persönlich anwesend ist, ist eigentlich egal. Hauptsache, das Projekt läuft.

Frau Hille, vielen Dank für das Interview.

Siemens: das Homeoffice für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Hälfte aller befragten Unternehmen mit über 500 Angestellten bietet ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle an, so die BMAS-Studie. Zum Beispiel auch die Siemens AG, die weltweit über 348.000 Mitarbeiter beschäftigt. Wir haben dazu mit Michael Friedrich gesprochen, der in der Kommunikationsabteilung für Personalthemen verantwortlich ist. 

Herr Friedrich, mit welcher Software arbeiten Ihre Mitarbeiter im Homeoffice oder von unterwegs?

Michael Friedrich: Unseren Mitarbeitern, die im Homeoffice oder von unterwegs arbeiten, stellen wir firmeneigene Laptops und Handys. Sie können sich dann über ein firmeneigenes Portal einloggen und haben Zugriff auf Daten und Unterlagen. Das Log-in ist mit einer Smartcard gesichert, so erschleicht sich niemand unbefugten Zugang zum Siemens-Portal. Einmal eingeloggt hat man dann einen sicheren Zugriff auf E-Mails, unser Intranet und Dateien. 

In welchen Abteilungen ist Homeoffice überhaupt möglich?

Es gibt bei uns zwei verschiedene Arten von Homeoffice. Eine ist das „normale“ Homeoffice, das im Durchschnitt 20 Prozent der Arbeitszeit ausmacht, also einen Tag pro Woche. Dieses gelegentliche Arbeiten von zu Hause aus ist recht schnell und unbürokratisch möglich und relativ verbreitet in Deutschland. Wenn also ein Siemens-Mitarbeiter bestimmte Aufgaben besser in Ruhe daheim erledigen kann oder die Handwerker am nächsten Tag erwartet, dann spricht er das einfach am Vortag mit dem Vorgesetzten ab. Derzeit haben diese Möglichkeit bereits viele Tausend unserer Mitarbeiter, hauptsächlich aus der Verwaltung und den administrativen Bereichen wie zum Beispiel dem Marketing. Klar, in der Produktion, also im Schichtbetrieb, in der Entwicklung und der Forschung ist das naturgemäß schwieriger möglich.

Die andere Form ist die Tele-Arbeit. Das ist ein verstärktes Arbeiten von zu Hause und umfasst 20- bis maximal 80-prozentiges Arbeiten von zu Hause aus. Einen Tag pro Woche kommen aber auch diese Kollegen in der Regel ins Büro, einfach für direkte Absprachen und den Austausch im Team. 

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Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist vielen sehr wichtig.

Wo ist bei Ihnen Homeoffice ausdrücklich gewünscht und warum ist das für Siemens wichtig?

Schon in Bewerbungsgesprächen werden unsere Recruiter immer häufiger nach flexiblen Arbeitszeiten gefragt. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zum Beispiel vielen sehr wichtig. Und auch die Nachfrage unter unseren Mitarbeitern nach alternativen Arbeitszeitmodellen, wie Sabbaticals oder Arbeitszeit-Sparmodellen, ist gestiegen.

Die normale Arbeitszeit bleibt im klassischen Homeoffice allerdings bestehen. Neu ist dagegen die größere Flexibilität, wann man die Arbeitsstunden ableisten möchte. Uns als Unternehmen machen solche flexiblen Arbeitszeitmodelle natürlich sehr attraktiv, also haben beide Parteien gewonnen. 

Homeoffice ist die Zukunft, hat aber auch Schattenseiten

Die fortschreitende Digitalisierung macht flexibles Arbeiten zunehmend möglich. Deswegen verlangen auch Arbeitgeberverbände eine Umstellung beim Arbeitszeitgesetz. Statt der täglichen soll es nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit geben. Gegner kritisieren, das Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit noch mehr zu verschwimmen drohen. So berichtet die Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dass Heimarbeiter mehr Überstunden machen als die Kollegen am Büroschreibtisch. Wie also neue Arbeitszeitmodelle Arbeitnehmer und -geber gleichermaßen zufriedenstellen, bleibt zukünftig eine Herausforderung – nicht nur für die Politik, sondern auch für die zahlreichen Personalverantwortlichen.

Herr Friedrich, vielen Dank für das Interview.