„Mein Betrieb ist mein Lebenswerk, da musste ich rechtzeitig darüber nachdenken, wer sich einmal darum kümmern soll.“ So klingt ein Unternehmer, der bei der Nachfolge alles richtig gemacht hat. Häufig hört man aber auch: „Die Übernahme war komplexer als gedacht.“ Das sind nur zwei der vielen Aussagen, die von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes für die Studie „Optimierung der Unternehmensnachfolge“ von Unternehmern eingefangen wurden.

Noch nie war das Thema so aktuell wie derzeit: In den kommenden Jahren rollt eine Nachfolgewelle über den Mittelstand hinweg. Bis zum Jahr 2022 planen mehr als eine halbe Million Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen, ihren Betrieb zu übergeben. So prognostiziert es die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in ihrem Mittelstandspanel. Für viele wird die Zeit knapp. Rund 100.000 Betriebe suchen bis Ende 2019 einen Nachfolger, haben ihn aber bis jetzt noch nicht gefunden oder noch gar nicht mit der Suche begonnen.

Bedarf kann nicht gedeckt werden
 

Gut vorbereitet ist eine Übernahme eines Unternehmens im Vergleich zu einer Neugründung für den Nachfolger eine echte Chance. Der Betrieb ist bereits am Markt eingeführt, Strukturen und Prozesse haben sich bewährt, die Mitarbeiter sind erfahren. Eine solide Basis, auf der ein Nachfolger aufbauen und seine Ideen einbringen kann.

Und trotzdem ist die Zahl nachrückender Gründer geringer denn je: Sie ist von über 1,5 Millionen im Jahr 2001 auf nur noch 672.000 im Jahr 2016 gesunken. Warum so wenige den Schritt in die Selbstständigkeit wagen? „Der florierende Arbeitsmarkt wirkt wie eine natürliche Bremse. 2016 haben sich nur noch 154.000 Existenzgründer mit einer Unternehmensübernahme selbstständig gemacht – zu wenige, um den Bedarf zu decken“, sagt Michael Schwartz von KfW-Research. Der Generationswechsel in Unternehmen wird so mehr und mehr zur Herausforderung.

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„2016 haben sich nur noch 154.000 Existenzgründer mit einer Unternehmensübernahme selbstständig gemacht – zu wenige, um den Bedarf zu decken.“ Michael Schwartz, KfW-Research


Das Problem verschärft sich dadurch, dass sich viele Betriebsinhaber einfach zu spät damit beschäftigen, was nach ihnen passieren soll. „Die Leute sind so von ihrem Arbeitsalltag in Anspruch genommen, sie verdrängen das Thema, auch wenn der Zeitpunkt der Übergabe längst ansteht“, sagt Klaus Jocham von der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. „Dabei kann es Jahre dauern, bis ein Partner gefunden ist, wenn kein Nachfolger aus der Familie infrage kommt“, so Jocham. Nicht wenige warten zu lange, weil sie die Komplexität des Vorhabens unterschätzen. Drei bis sechs Jahre gilt es einzukalkulieren. Für jeden siebten Inhaber wird es deshalb zur Option, den Betrieb stillzulegen. Bei Inhabern kleiner Unternehmen ist sogar für die Hälfte die Aufgabe des Betriebs eine mögliche Lösung. Vielen Unternehmenslenkern bleibt nichts weiter übrig, als einfach weiterzumachen. Die Zahlen zeigen, dass sie jetzt schon durchschnittlich sechs Jahre später als ein Arbeitnehmer in Rente gehen. Und 1,4 Millionen Inhaber sind bereits 55 Jahre und älter. Ein Viertel wird zum geplanten Start in den Ruhestand über 70 Jahre alt sein, jeder Zehnte fast 80 Jahre.

Gefahr Innovationsbremse
 

Eine ungeklärte Betriebsübergabe kann mittelfristig starke finanzielle Auswirkungen haben. Sie wirkt wie eine Investitionsbremse. KfW-Studienautor Michael Schwartz sagt: „Je näher der Übergabezeitpunkt rückt, desto stärker nimmt die Investitionsbereitschaft ab.“ Wer will schon Geld in ein Unternehmen stecken, mit dem er vielleicht bald nichts mehr zu tun hat? Laufende Verhandlungen wirken sich noch einmal negativ auf die Bereitschaft aus. Die Zahlen des KfW-Panels zeigen aber auch: Ist die Nachfolge einmal geklärt, steigen die Investitionen wieder um 40 Prozent an! Auch eine familieninterne Lösung fördert Investitionen. Kein Wunder, kommt der Nachfolger aus dem direkten Umfeld, ist von Anfang an eine Vertrauensbasis vorhanden.

Um mehr Schwung in den Markt zu bringen, hat sich etwa die Handwerkskammer Niederbayern etwas Besonderes ausgedacht und im vergangenen Jahr einen „Tag der Unternehmensnachfolge“ auf die Beine gestellt. Außerdem bietet sie eine eigene Betriebsbörse, um Partner zusammenzubringen. „Mit 375 Interessenten ist das Angebot zwar fast fünf Mal so groß wie die Nachfrage, aber wir schaffen es, pro Jahr bis zu zehn Betriebe zu vermitteln“, sagt Klaus Jocham. Immerhin.

Drei Beispiele für eine geregelte Nachfolge

 

 

„Ein halbes Jahr lang darum regelrecht gefeilscht“
 

Harald Müller hatte sich frühzeitig Gedanken gemacht, wie es nach seinem Ausscheiden mit dem Messebauunternehmen in March-Hugstetten bei Freiburg weitergehen sollte. Er fand Matthias Glaser und Daniel Spatz, die schon seit zehn Jahren zusammenarbeiteten und sich selbstständig machen wollten. Dass der Übergang reibungslos geklappt hat, führt Glaser auf das gut ausgehandelte Vertragswerk zurück: „Wir haben ein halbes Jahr lang darum regelrecht gefeilscht.“ Das wertvollste bei der Übernahme war der Kundenstamm. „Wenn ein Unternehmen in neue Hände übergeht, kann es ja durchaus passieren, dass Kunden dies zum Anlass nehmen, sich ebenfalls neu zu orientieren.“ Bei der 1993 gegründeten Müller Messebau ist es nicht so gekommen, weil Müller selbst seine Nachfolger bei den Kunden eingeführt hat. Und noch heute ist er als Berater für sein altes Unternehmen tätig. Das erwirtschaftet mit seinen elf Mitarbeitern einen Jahresumsatz von zwei Millionen Euro.

 

 

„Wollte selbstständig sein“
 

Thomas Beha (auf dem Foto links) wusste, worauf er sich eingelassen hatte, als er den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Seit vier Jahren ist er jetzt Chef der Firma Ginter Vakuum-Tiefzieh-Technik in Trossingen, das sich auf die Herstellung von Kunststoffwaren spezialisiert hat. Dazu zählen Stempeluhren, Computerblenden oder Leuchtgehäuse. Der frühere Inhaber Gerhard Ginter entwickelte 1989 die erste Maschine dafür. Beha brachte als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker, studierter Maschinenbauer und MBA-Absolvent technische und kaufmännische Kenntnisse mit. Er wollte sich unbedingt selbstständig machen und suchte über die Nachfolgebörse der IHK ein geeignetes Unternehmen. „Ginter war ein gut geführtes Unternehmen mit solidem Kundenstamm. Das passte“, sagt Beha. Zwischen den ersten Gesprächen und der tatsächlichen Übernahme lag nur ein Dreivierteljahr.

 

 

„Ich musste funktionieren“
 

Silvia Reschke übernahm das Unternehmen für Baumaschinen und Schweißtechnik von ihrem Vater, weil die Hausbanken einen Generationswechsel forderten. Zu angespannt war die Liquiditätslage, der Investitionsstau immens und damit verbundene Verluste. „Dadurch, dass die ganze Familie finanziell im Unternehmen verstrickt war – mir gehörten die Betriebsgrundstücke –, musste es nach Prüfung der Banken innerhalb der Familie übergeben werden“, sagt Silvia Reschke. Unternehmerin zu werden war nicht ihr Plan. Doch auf einmal war sie der Chef. „Ich musste funktionieren. Ungefähr ein Jahr arbeitete mein Vater noch mit. In dieser Zeit kristallisierte sich aber heraus, dass es zusammen nicht geht und ich die alleinige Verantwortung übernehmen muss.“ Ihr großes Glück waren die Mitarbeiter, die sie unterstützt haben. Sie führte flache Hierarchien ein und konzentrierte sich zunächst auf das Kaufmännische – auch um das Unternehmen zu retten. Das gelang. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 50 auf 60. Reschkes Empfehlung: „Da die emotionale Verwicklung in Familienunternehmen stark ist, ist ein Mediator unerlässlich.“

3 Fragen an …

... Stefan Hammes, Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald

Mit welchen Überlegungen beginnt eine anstehende Unternehmensnachfolge?

Zu Beginn des Nachfolgeprozesses sollte sich der Inhaber fragen, wer in der Lage ist, sein Lebenswerk fortzuführen. Die nächste Frage ist dann, ob diese Person auch bereit ist, das Unternehmen zu übernehmen. Gerade in der Familiennachfolge sinkt die Quote bei kleinen Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitern Jahr für Jahr und liegt zwischenzeitlich deutlich unter 50 Prozent.

Welche Fehler beobachten Sie am häufigsten?

Der häufigste Fehler liegt in der falschen Einschätzung des Unternehmenswertes. Ein zu hoher Preis schreckt sowohl den Familiennachfolger als auch den externen Nachfolger ab. Dicht gefolgt wird dieser Fehler von der falschen Einschätzung der Zeit, die ein Nachfolgeprozess in Anspruch nimmt. Grundsätzlich dauert er länger als gedacht.

Welche Eigenschaften muss ein potenzieller Nachfolger mitbringen?

Das hängt natürlich stark vom zu übernehmenden Unternehmen ab. Je kleiner das Unternehmen ist, umso stärker ist seine Fach- und Vertriebskompetenz gefragt, und je größer das Unternehmen ist, desto mehr sind seine strategischen und Führungskompetenzen gefragt.