Etwas zu analysieren funktioniert immer dann am besten, wenn ein Problem bereits bekannt ist. Manchmal merkt man aber nur, dass es nicht rund läuft, weiß aber nicht, an welchen Schnittstellen es konkret hakt. Für solche Situationen gibt es verschiedene Analysemodelle, die alle einem Grundprinzip folgen: Der Ist-Zustand wird mit dem Soll-Zustand verglichen. Beim Benchmarking beispielsweise werden bestimmte Soll-Zustände ermittelt und dann Vergleiche gezogen. Oder es kommt ein Fragenkatalog zum Einsatz. Wer seine kritischen Punkte noch nicht kennt, könnte auch versuchen, sich mit einer Schwachstellenanalyse darüber klar zu werden. Hier werden alle Arbeitsabläufe auf Schwachstellen hin abgeklopft, denn bekanntlich ist jede Kette nur so gut wie ihr schwächstes Glied. 

Einen ganz anderen Weg der Prozessanalyse bietet dagegen das Turtle- oder auch Schildkrötenmodell. Dabei symbolisieren Kopf und Hinterteil die Input- und Output-Möglichkeiten, die vier Beine die Standpunkte. Von oben betrachtet erinnert das aufgezeichnete Modell an die Umrisse einer Schildkröte. Und die verspricht nicht weniger, als bei den Mitarbeitern die Sinne für Schnittstellen zu schärfen, Abhängigkeiten aufzuzeigen, für Transparenz zu sorgen und zügig Lösungen zu finden, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Je reibungsloser ein Prozess abläuft, desto zufriedener sind die Mitarbeiter. Um dies zu erreichen, muss allen Beteiligten jedoch klar sein, welche Aufgaben sie darin selbst wahrnehmen. 

Vier Standbeine mit Leben füllen

Angenommen es geht um den typischen Vorgang, einen Vertrag für ein Angebot zu prüfen. Dazu werden zunächst die vier Standbeine mit Leben gefüllt und daraus dann mögliche Risiken abgeleitet. 

  • Ist der Prozess definiert, müssen die Arbeitsmittel beschrieben werden: Womit wird der Prozess ausgeübt? Das wären in diesem Fall wohl das EDV-System und der Internetanschluss. Folgende Risikobereiche könnten ausgemacht werden: Die Richtigkeit und Verfügbarkeit von Dokumenten im System, Systemstörungen sowie ein nicht ausreichender Virenschutz. 
  • Nun gilt es, die beteiligten Personen zu bestimmen. Das wäre zum einen das Vertriebspersonal. Zum anderen könnten zusätzlich auch bereichsübergreifende Teams aus Entwicklung, Qualitätssicherung und Produktion mit zuständig sein. Hier könnte man nun zum Beispiel feststellen, dass die Mitarbeiter nur unzureichend eingewiesen worden waren und ihnen daher die nötigen Kenntnisse über die Anforderungen der Kunden fehlen. 
  • Anschließend ist zu klären, welche Verfahren oder Methoden eingesetzt werden. Das sind in diesem Fall bestimmte Formulare und Akquise-Fragebögen, die EDV-Eingabemaske, Preislisten und Kalkulationsschemata. Auch hier werden nun Risiken ermittelt, die den Prozessfluss stören könnten. Am Ende stünde die Ermittlung von Kennzahlen. Im Beispiel hätten sich folgende Indikatoren herauskristallisiert: Die Angebotsfrist wird regelmäßig überschritten, die Kalkulation ist unzureichend und basiert auf falschen Vorgaben, außerdem sind die vorliegenden Trendanalysen nicht aussagekräftig genug. Über diese Kennzahlen wird nun der weitere Prozess gesteuert. Veränderungen werden festgestellt, Maßnahmen ergriffen. 

Am Ende erst erklärt sich der Input, der über den Kopf in die Schildkröte hineinfließt. Folgende Probleme konnten im Beispiel identifiziert werden: Es erfolgen zu wenig Kundenaufträge, die Basisdaten sind unzulänglich, die Wettbewerbsanalyse ist fehlerhaft und die Kundenanforderungen können nicht analysiert werden. So wird letztlich nicht nur klar, dass die Kunden unzufrieden sind, sondern – ganz wichtig – auch warum.

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