Als sie 34 Jahre alt war, beschloss Sevinc Yerli, ihren Traum zu leben und ein eigenes Modelabel zu gründen. Die gebürtige Türkin, dreifache Mutter und ausgebildete Make-up-Artistin und Stylistin war von ihrer Idee überzeugt: T-Shirts mit glamourösem Glitzer wollte sie kreieren, im Stil von Strandboutiquen in Venice Beach – eine Größe für alle. Dafür nähte sie in die Seiten der Oberteile Schnüre ein, mittels derer die Shirts kleiner oder größer gemacht werden konnten. Ihr Label nannte sie „Chili Bang Bang“. 

Yerli ist mittlerweile eine erfolgreiche Modedesignerin. Und sie ist eine Ausnahme: Denn nach wie vor machen Frauen sich sehr viel seltener selbstständig als Männer. In Hessen wurden im vergangenen Jahr nur 35 Prozent aller neuen Gewerbe von Frauen angemeldet; deutschlandweit waren es 34 Prozent. Selbstständig waren 7,8 Prozent der in Hessen erwerbstätigen Frauen, bei den Männern mit 13,5 Prozent fast doppelt so viele – Zahlen der „Koordinierungsstelle Frauen & Wirtschaft“ in Hessen. Frauen, die sich selbstständig machen oder ein Unternehmen gründen, sind in Hessen also nach wie vor in der Minderzahl. 

Eine Institution, die das ändern will, ist der 1984 gegründete Verein „jumpp“. „jumpp“ unterstütze Frauen bei der Existenzgründung, sagt Christiane Stapp-Osterod, die Geschäftsführerin des Vereins. Das Ziel: Die Frauen sollen langfristig von ihrer selbstständigen Tätigkeit leben können. Sie würden ihrer jeweiligen Lebenssituation entsprechend beraten – je nach Alter, Vermögen oder Ausbildung, ob sie in Deutschland aufgewachsen oder als Geflüchtete gekommen sind. 

Unternehmertum ist noch immer männlich konnotiert

„Es geht um ungenutzte Potenziale, die ausgeschöpft werden sollen, es geht um Integration und die Umsetzung von Lebensentwürfen“, sagt Stapp-Osterod. Neben der Beratung und einem Netzwerk von 3.000 hessischen Unternehmerinnen, mit denen sich die Frauen austauschen können, organisiert „jumpp“ auch Projekte wie den Hessischen Unternehmerinnentag, um in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, wie Frauen die Wirtschaft der Region prägen und ihr zum Erfolg verhelfen. Denn Unternehmertum sei noch immer männlich konnotiert – das müsse sich ändern, sagt Stapp-Osterod. 

Generell brauche Unternehmertum ein positiveres Image, findet Margit Dietz, die Vorsitzende des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) in Hessen. Das bisherige Image sei zu stark, zu negativ geprägt durch große Konzerne. Dietz’ Landesverband veranstaltet einmal im Monat einen „Business Talk“, bei dem Frauen sich austauschen können. Und im Rahmen eines Mentoring-Programms beraten erfahrene Unternehmerinnen Frauen, die sich ebenfalls selbstständig machen wollen. 

Die Aufgaben müssen gerechter verteilt werden

Damit mehr Frauen sich entschließen, in die Selbstständigkeit zu gehen und eigene Firmen zu gründen, müssten sich aber auch die Rahmenbedingungen verbessern, sagen beide Frauen. Ein einfacherer Zugang zum Kapitalmarkt etwa sei nötig (siehe Infokasten rechts) und bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren. „Frauen sollten gleichberechtigte Möglichkeiten haben, ihre Lebensentwürfe zu verwirklichen“, fordert Stapp-Osterod. Denn wenn es letztlich doch die Frauen sind, die sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen, bleibe kaum Zeit für berufliche Selbstverwirklichung: „Frauen neigen zur Selbstausbeutung, weil sie es allen recht machen wollen. Dabei müssen die Aufgaben gerechter verteilt werden!“ 

Auch für Sevinc Yerli war es nicht einfach, die Gründung der eigenen Firma mit dem Familienleben abzustimmen. Aber am Ende funktionierte es: Ihre ersten T-Shirts schenkte sie Prominenten, um bekannt zu werden. Und sie wurde bekannt. Mittlerweile wird das Label der Frankfurterin in mehr als 70 Boutiquen in Deutschland geführt. 

Finanzierung? Schwierig!

Wichtigster Faktor für eine erfolgreiche Unternehmensgründung ist die Finanzierung. Für Frauen ist es allerdings schwieriger als für Männer, an Kredite zu kommen: Sie verfügen häufig über weniger Vermögen als Männer und haben damit den Banken weniger Sicherheiten zu bieten. Viele Kredite sind zudem auf sehr hohe Beträge und Investitionen zugeschnitten – was nicht immer dem Bedarf von Frauen entspricht. Analysen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zufolge machen Frauen sich vor allem im Bereich persönlicher Dienstleistungen in Sozial- und Gesundheitsberufen selbstständig – oft von zu Hause aus und in Teilzeit. Experten wie Claudia Gather von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin empfehlen daher für Frauen die Erteilung von Mikrokrediten von weniger als 10.000 Euro, wie sie von den Förderbanken NRW und Schleswig-Holstein vergeben werden. 

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