Das bayerische Unternehmen Kaut-Bullinger mit Stammsitz in Taufkirchen ist ein Büro-Komplettausstatter: Vom Kugelschreiber über den Flipchart bis hin zum Bürostuhl gibt es hier alles aus einer Hand. Aber eben nicht nur Büroausstattung, sondern auch Komplettlösungen wie EDV-Bedarf, Bürotechnik oder CAD-Engineering. In diesem Jahr wird ein Schnapszahl-Jubiläum gefeiert: Seit 222 Jahren existiert das Familienunternehmen bereits. Was einst als Einzelhandelsgeschäft begann, gliedert sich inzwischen in drei verschiedene Geschäftsbereiche: den gewerblichen Bürobedarf, das beratungsintensive Systemhaus, das hauptsächlich digitales Projektgeschäft betreibt, und drittens das Endkundengeschäft in den Einzelhandelsgeschäften, die sich über ganz Süddeutschland verteilen. Dort gibt es von der Heftklammer bis zum Schulranzen alles zu kaufen. Gleichzeitig nahm der Internethandel in den vergangenen Jahren immer stärker zu, sodass man angesichts von fast 200 000 Kunden Mühe hatte, alle Beziehungen im Griff zu behalten. 

So entstand die Idee, ein Kundenmanagementsystem einzubinden. Schließlich besagen Untersuchungen, dass es drei- bis fünfmal teurer ist, einen Neukunden zu gewinnen, als einen zufriedenen Käufer zum Stammkunden aufzubauen. Bei Kaut-Bullinger sollte ein solches Customer-Relationship-Management (CRM) dafür sorgen, eine einheitliche Plattform zu schaffen, von der aus die 200 Mitarbeiter aus den Bereichen Kundendienst und B2B-Vertrieb sowie die Finanzabteilung auf alle Kundendaten zugreifen können. Dem Vertrieb war es wichtig, zusätzlich die Möglichkeit zu bekommen, über Smartphones und Laptops direkt und von überall mit den Kunden zu kommunizieren. „Da wir keinen Aufbewahrungsort für Kundeninformationen hatten, war es sehr langwierig, Informationen über einzelne Kunden zusammenzustellen“, erläutert CRM-Projektleiter Jens Nitschke. 

Alles an einem Ort

Die Studie „Nutzung und Trends im Customer- Relationship-Management (CRM)“ des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft zeigt, dass solche Systeme, einmal eingeführt, sehr gut angenommen werden. 93 Prozent der Unternehmen erfassen ihre Kundeninformationen systematisch. Von diesen speichern 95 Prozent Kontaktdaten, 76 Prozent Daten über Käufe und Transaktionen, 55 Prozent die direkte Kommunikation mit Kunden (z. B. per E-Mail oder Telefon) und 14 Prozent archivieren die indirekte Kommunikation der Kunden, etwa im Social Web. 

Bei Kaut-Bullinger war es bislang so, dass die Vertriebsteams gezwungen waren, einen Teil der benötigten Informationen aus der Software der ERP- und Business-Intelligence- Anwendungen abzurufen. Andere wichtige Daten waren gar nur in Excel-Tabellen enthalten. Wegen des fehlenden zentralen Zugriffs benötigten die Mitarbeiter zu viel Zeit für die Suche nach Informationen, die an verschiedenen Standorten aufbewahrt wurden. Das betraf vor allem die Manager, die auf einen umfassenden Überblick über Kundenaktivitäten und Vertriebsleitung angewiesen waren. „Wir wollten sämtliche Vertriebs- und Kundendaten an einem Ort zusammenfassen, um Arbeitsabläufe für Mitarbeiter zu rationalisieren und unsere Kommunikation mit den Kunden zu optimieren“, sagt Nitschke. 

Anrufe erfolgen automatisch

2010 begann man bei Kaut-Bullinger, zusammen mit einer IT-Firma mögliche CRM-Lösungen zu bewerten. Drei Anbieter wurden aufgefordert, ihre Lösungen zu präsentieren. Der gewonnene Partner wurde dann beauftragt, die benannten Anwendungen und Aktivitäten zu integrieren. So löst beispielsweise die neue Telefonsoftware auf Wunsch ausgehende Anrufe aus. Ruft ein Kunde an, wird automatisch ein Pop-up-Bildschirm eingeblendet, über den seine Daten abgerufen werden können. „Unsere Mitarbeiter schätzen den einheitlichen Zugriff auf Kundeninformationen. Und auch wir sind daran interessiert, Aufgabensteuerung, Arbeitsabläufe, E-Mail-Marketing sowie unsere E-Commerce-Aktivitäten mithilfe der Plattform zu integrieren“, erklärt Projektleiter Nitschke die Motivation. 

Quotation mark

Die Mitarbeiter schätzen den einheitlichen Zugriff auf die Daten.

Hohe Anforderungen, die aber an jedes gute CRM-System gestellt werden können. Die Software soll alle Stamm- und Kontaktdaten der Kunden erfassen und die Ergebnisse der Gespräche und E-Mail-Konversationen notieren. Am Ende steht möglichst hinter jedem Kunden eine vollständige Historie. Aus ihr geht hervor, wann zum letzten Mal mit ihm gesprochen wurde und worum es genau ging. Das ist vor allem dann hilfreich, wenn der letzte Kontakt schon länger zurückliegt oder ein anderer das Gespräch geführt hat. In einem strukturierten CRM sollte die Kundenbeziehung lückenlos dokumentiert sein, sodass Fragen nie mehrfach gestellt werden müssen. Im Idealfall kann der Mitarbeiter das Anliegen des Kunden in einen Kontext einordnen und deshalb schneller und besser verstehen. Und der Kunde muss nicht bei jedem Anruf sein Anliegen von Neuemer klären, denn sein Gegenüber weiß schon Bescheid – und hat vielleicht auch schon eine Lösung parat. 

Allerdings war es nicht einfach, alle Mitarbeiter von Beginn an gleichermaßen von dem Mehrwert zu überzeugen. Nitschke: „Wir haben ihnen daher zunächst die Möglichkeit gelassen, eine Zeit lang im alten System weiterzuarbeiten. Das haben viele auch getan, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. Aus heutiger Sicht war das ein Fehler.“ Gut angenommenen wurden dagegen Workflows wie die Pflege des Kundenstamms aus dem Warenwirtschaftssystem heraus. „Früher durften nur bestimmte Mitarbeiter Neukunden anlegen. Heute darf das jeder. Das beschleunigt alle Prozesse.“ 

Den Wohlfühlfaktor bedenken

Als Vorteil erwies es sich, dass in einem funktionierenden CRM-System Warteschleifen für Rückfragen bei Kollegen oder die Suche nach Dokumenten entfallen. Alle Informationen sind an einem zentralen Ort hinterlegt. Was ein Tante-Emma-Laden früher seinen Kunden bieten konnte – individuelle Kundenpflege, sich wohlfühlen, auf die entsprechenden Kundenbedürfnisse eingehen –, das soll heute ein CRM-System leisten. Ziel ist, dass sich all diese Bemühungen letztlich in höheren Umsatz- und Gewinnzahlen ausdrücken. Das hat sicher auch Tante Emma zumindest intuitiv schon gewusst. Heute spricht man vom „Customer Lifetime Value“. Das bedeutet, dass anfangs investiert werden muss, um Kunden zu gewinnen, und erst über die Dauer der Beziehung wachsen Erträge, die sich im idealen Fall positiv auf Umsatz und Gewinn auswirken. 

Ein Effekt, der bei Kaut-Bullinger in einem Bereich schnell sichtbar wurde: Von dem neuen System profitieren Vertrieb und Marketing am stärksten, beide Bereiche arbeiten jetzt besser zusammen. Nitschke: „Inzwischen ist auch der Onlineshop eingebunden und registrierte Kunden werden automatisch in das neue E-Mail-Marketing- System aufgenommen.“

Checkliste für die Einführung eines CRM-System:

Wo drückt der Schuh?

Wenn sich ein Unternehmen für CRM entscheidet, hat es bereits etwas Wichtiges erkannt: Es ist ein gewisses Defizit in der Kundenbindung vorhanden. Zuerst sollte identifiziert werden, wo der Schuh am meisten drückt. Gibt es keine einheitlichen Kundendaten? Fehlt den Mitarbeitern der Zugriff auf die nötigen Informationen? Oder soll der Arbeitsablauf einfach schneller und effizienter werden?

Unterstützung der Geschäftsführung

Idealerweise sollte ein CRM-Projekt »von oben« angetrieben werden, also die Initiative von der Geschäftsführung ausgehen. Schließlich sind es die Führungskräfte, die nicht nur die Gelder für die Umsetzung bewilligen, sondern meistens auch den Unternehmensalltag umkrempeln müssen. 

Kein IT-Projekt

Noch immer begehen viele Unternehmen den Fehler und glauben, wenn sie eine CRM-Software implementieren, wird automatisch das Kundenmanagement besser. Weit gefehlt: Wer nicht erst umdenkt und seine Prozesse zum Kunden hin überarbeitet, dem wird auch die beste Software nicht weiterhelfen können. 

Einbeziehung der Mitarbeiter

Meistens regt die Firmenleitung das Projekt an und setzt es um. Dabei wird oft vergessen, die Menschen mit einzubeziehen, die später täglich mit der Lösung arbeiten müssen. Die Mitarbeiter sollten nicht das Gefühl haben, dass CRM zu ihrer Kontrolle eingesetzt werden soll. Wichtig ist, dass sie verstehen, dass die neue Software dazu dient, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. 

Erst denken, dann handeln

Erst die Software, dann der Rest? Wer so denkt, wird scheitern. Man sollte nicht die Anforderungen an die Software anpassen, sondern andersherum. 

Hilfe suchen

Wer bisher noch keine Berührungspunkte mit CRM hatte oder nicht genau weiß, woran es im Unternehmen wirklich hapert, sollte sich professionelle Unterstützung holen. 

Was macht die Konkurrenz?

Werfen Sie ruhig ein Auge auf den Wettbewerber. Natürlich wird der Konkurrent keinen Einblick in seinen kompletten CRM-Ansatz geben, aber der eine oder andere Punkt darf kopiert werden. Viele Anbieter liefern Best-Practice-Beispiele gleich mit. 

Schrittweise Einführung

Nur nichts überstürzen und alles auf einmal wollen. Zuerst sollten Unternehmen die wichtigsten Baustellen aufräumen und beispielsweise einheitliche und saubere Kundendaten schaffen, auf die jeder Mitarbeiter Zugriff hat. Danach kann die Lösung nach und nach ausgebaut werden. 

Gründung eines Kompetenzteams

Vorteilhaft ist es, einige Mitarbeiter zu beauftragen, sich um die Umsetzung des Projektes zu kümmern. Experten sollten dabei genauso vertreten sein wie der Mitarbeiter, der später mit der Lösung arbeitet. 

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Machen Sie sich eines klar: Ein CRM-Projekt wird nie zu Ende sein. Es muss ständig an die sich ändernden Marktbedingungen und Kundenanforderungen angepasst werden. 

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