Herr Esser, Kloepfel Engineering und die Analysesoftware Cost Control zählen zu den Qualitätsführern unter den Produktkostenkalkulationstools. Was zeichnet Cost Control aus?

Uns zeichnet vor allem die Tiefgründigkeit aus, mit der wir Kosten analysieren, Bauteile bewerten aufgrund von technologischen Veränderungen bzw. wie man die Produkte durch Technologieänderungen preiswerter gestalten kann. Als Beispiel: Ist die Herstellung eines Bauteils mit Laserschneiden oder Plasmaschneiden effizienter? Das ist zum Beispiel abhängig von der Materialstärke und der Toleranz. Wir können auch feststellen welche Zerspanungsart für das Bauteil am günstigsten ist. 

Mangelnde Kostentransparenz ist ein großes Thema in produzierenden Unternehmen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es fehlt an den Möglichkeiten hinter die Kulissen zu schauen und festzustellen, wo die Kosten sitzen. Der klassische Einkäufer geht hin, kopiert eine Zeichnung fünf Mal, schickt diese an fünf verschiedene Lieferanten raus und nimmt sich das zweitbeste Angebot. Das ist zwar auch eine Möglichkeit, um eine Übersicht über die Preise zu bekommen, aber richtig den Preis senken kann man, wenn man eine Übersicht über die Kosten hat. Das heißt: Wie hoch ist der Materialanteil, wie hoch ist der Fertigungsanteil, wie hoch sind die Zuschläge. Wenn man das in den Angeboten abfragt, hat man schon eine große Transparenz. Aber die Königsdisziplin kommt dann, wenn man dieses auch noch mit Zahlen belegt. Dazu zählen die Fertigungszeiten, die Lohnkosten, der Stundensatz, die Maschinenkosten, welches Material verwendet wird – all diese Details, fast runtergebrochen bis auf den Putzlappen, den man bei der Wartung braucht, spielen bei der Kalkulation eine Rolle.

Ein Beispiel: In der Regel wird 1.4301 als Edelstahl eingesetzt. Man könnte genauso gut auch 1.4016 verwenden. Dieser Edelstahl hat andere Eigenschaften, eignet sich für die meisten Teile genauso und ist im Rohmaterialpreis wesentlich günstiger. Diese Punkte kann man analysieren, Werte festlegen und dann geht man mit Zielpreisen in den Markt hinein und fragt nicht einen Teil an, sondern macht eine Zielpreiskalkulation. Der Lieferant hat dann die Wahl, ob er das Bauteil zu dem Preis herstellen möchte. 

Aus Ihrer Erfahrung: Was sind die besonderen Ansprüche von Kunden an Produkt- und Produktionsoptimierungstools?

Die Anforderung an ein Kalkulationstool und damit der Anspruch unserer Kunden ist, dass die Werte die daraus kommen realisierbar sind, dass sie für einen Lieferanten nachvollziehbar sind und dass sie nicht einfach daher gewürfelt sind, sondern einen hohen Anspruch an die Realität haben. Dazu gehört, dass man genügend Nebenzeiten berücksichtigt, dass man bei den Zerspanungszeiten nicht die Werte aus den Katalogen nimmt und die mit 100 % einsetzt. Ähnlich sieht es aus bei Rüstzeiten. Die Rüstzeiten, die wir ermitteln, beziehen sich immer darauf, wie lange muss die Maschine wirklich stehen, um ein Bauteil zu bewerten. All diese Punkte sollten in die Kalkulation einfließen. Das ist es, was Kunden von Produkt- und Produktionsoptimierungstools erwarten.  

Was sind die besonderen Ansprüche von Einkäufern?

Der moderne Einkäufer möchte am liebsten, dass man eine Zeichnung auf den Laptop legt, man den Deckel zu und wieder aufmacht und schnell einen exakten Preis hat. Das ist aber nicht immer so einfach, weil man sich eine Zeichnung ansehen muss und ins Detail reingeht. Sicherlich reicht für eine Vielzahl der Teile eine schnelle Analyse, weil eine geringe Stückzahl eine aufwendige Zeitanalyse nicht hergibt. Wir haben unser Tool deshalb so angepasst, dass wir mit unserem Tool ins Detail gehen können, aber auch eine oberflächliche Kalkulation machen können, womit wir dann immer noch eine Trefferquote von um die 85 bis 90 % erreichen – aber eben mit angenäherten Werten. 

Derzeit ist die Digitalisierung in der Industrie ein großes Thema. Wie wirkt sich das auf die Verwendung von Produktkostenkalkulationstools aus?

Ja, das ist ein großes Thema. Wir sind dabei unser Tool entsprechend der Stammdaten, die wir aus einem ERP System bekommen, anzupassen. Beispielsweise bei einem Blechteil: Der Konstrukteur schreibt die Schnittlänge, die Anzahl an Einstiche und die Anzahl an Kanten in die Stammdaten. Diese Daten wollen wir dann aufgreifen und automatisiert eine Kalkulation darauf aufbauen. All das ist möglich, nur dieses Zusammenspiel der einzelnen Programme, das muss noch verbessert werden. Über die dementsprechende Schnittstellenprogrammierung ist das heute möglich und wir sind in diesem Bereich auch schon ziemlich weit vorne.  

Vor welchen weiteren zentralen Herausforderungen stehen Tools wie Cost Control in der Zukunft?

In Zukunft müssen Produktkostenkalkulationstools in der Lage sein, auf CAD-Daten aufzusetzen. Das nächste wäre das automatisierte Zeichnungseinlesen, sprich durch 3D-Daten, Step-Dateien usw. Diese Tools gibt es zwar heute schon, sie benötigen dazu aber teure CAD-Programme sowie aufwendige Programmiersysteme der Maschinenhersteller. Ganz großes Ziel für die Zukunft ist das automatisierte Kalkulieren, ohne die Fachabteilungen zu beauftragen, indem das Spanvolumen ermittelt wird und die Ableitung darüber auf fast alle Maschinentypen berechnet wird, zum Beispiel Eilgang, Span zu Span Zeiten, Spindelleistungen usw. Auch bei der Angebotsbearbeitung eines Zulieferers ist es ein immer größeres Thema. Oftmals schickt ein Einkäufer eine Zeichnung an mehrere Lieferanten und jeder muss sich hinsetzen und das Teil kalkulieren. Wenn er aber direkt eine Kalkulation mitschickt, ist das eine Entlastung. Wir sind gerade dabei einen Lieferantenstamm aufzubauen, der auf unsere Kalkulation eingeht und damit sagt: „Ich werte die von Cost Control berechneten Werte als sehr sportlich, aber ich brauche nicht meine Angebotsbearbeitung damit zu beauftragen, denn da sitzen nicht die preiswertesten Leute.“ 

Damit verändert sich Ihr Job grundlegend…

Ja, das stimmt. Aber es wird auch eine sehr viel höhere Kostentransparenz stattfinden und es wird eine Übersicht geben, was ein Bauteil in welchem Land kostet. Man wird feststellen, dass der Kostenvorteil gar nicht mehr so groß ist, ein Bauteil auszulagern, das eine maschinenintensive Fertigung hat. Das wird damit auf einen Blick transparent. Es lassen sich auch mittlerweile viele Lohnfertiger von uns beraten, weil sie keine Aufträge bekommen. Sie sind oft in manchen Bereichen zu teuer und möchten dann, dass wir uns die Fertigung ansehen und helfen, die Fertigung auf ein Lohnfertigerniveau zu optimieren, um den Benchmark aus unserem Tool zu erreichen. 

Ende August führt Kloepfel Engineering eine neue Version von Cost Control ein. Was zeichnet diese aus?

Mit unserer neuen Generation von Cost Control gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Digitalisierung, denn die neue Version ist ein Online-Tool. Wir haben intensiv die letzten Jahre daran gearbeitet und wollten vor allem die Benutzerfreundlichkeit steigern. Das ist uns gut gelungen, weil man das Tool nach einer nur 30-minütigen Einführung bedienen kann. Viele Tools sind weitaus komplizierter und fordern ein umfassendes Fachwissen.

Die Branche steht in den nächsten Jahren vor vielen Veränderungen. Was sind die konkreten Ziele von Kloepfel Engineering für die Zukunft?

Unser Tool muss die Anforderungen an die moderne Zeit alle erfüllen, sprich das Einlesen der Step-Dateien, das automatisierte Lesen der 3D-Daten, was wir auch heute schon können, sowie Anpassungen an den Markt. Ein weiteres Ziel ist es, das geballte Fertigungs- und Prozesswissen unserer erfahrenen Fertigungsspezialisten im Tool zu digitalisieren und somit dem technischen Einkäufer zur Verfügung zu stellen, damit er eine bessere Position bei seinen Lieferanten hat. Dies führt dann natürlich auch wieder zu besseren Preisen und einem besseren Kostenüberblick, weil nur wenn man seine Kosten kennt, kann diese auch nachhaltig senken. 

Herr Esser, danke für das Interview!