Viele Unternehmen stehen vor der Aufgabe, ihren Verkehr Erfolg versprechend zu managen – so auch die Biomarktkette Alnatura. In zwei Jahren soll die Zentrale aus dem südhessischen Bickenbach in den Südwesten von Darmstadt verlegt werden. „Deshalb möchten wir die Umzugssituation nutzen, um unseren Kolleginnen und Kollegen attraktive Alternativen zum Pkw aufzuzeigen“, sagt Christiane Meyer, die für das Projekt Mobilität bei Alnatura verantwortlich ist. Der neue Standort werde deutlich besser mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad oder E-Bike und für einige Mitarbeiter auch durchaus zu Fuß erreichbar sein. Das Unternehmen hat es sich daher zum Ziel gemacht, den CO2-Ausstoß zu senken, möglichst wenig Fläche als Parkraum zu versiegeln und zusätzlichen Verkehrsdruck für Darmstadt durch Pendler zu vermeiden.

Um das zu erreichen, nimmt Alnatura am Beratungsprogramm „Südhessen effizient mobil“ teil. Dieses hilft privaten und öffentlichen Arbeitgebern dabei, ihren Mobilitätsbedarf zu untersuchen und daraus maßgeschneiderte Aktionen abzuleiten. Vor fünf Jahren von der kommunalen Gesellschaft Integriertes Verkehrs- und Mobilitätsmanagement Region FrankfurtRheinMain (ivm) gemeinsam mit lokalen Partnern ins Leben gerufen, verbucht das Programm inzwischen große Erfolge.

Unternehmen können durch ein durchdachtes betriebliches Mobilitätsmanagement in der Regel deutlich sparen, und zwar nach einer Studie der TU Hamburg-Harburg schon allein bei den Kraftstoffen je Mitarbeiter und Jahr durchschnittlich 220 Euro. Der CO2-Ausstoß im Berufsverkehr wird demnach um bis zu 25 Prozent reduziert. Wer den betrieblich bedingten Verkehr ressourcenschonender und umweltgerechter gestaltet, fördert gleichzeitig die Gesundheit seiner Mitarbeiter.

Der ivm geht es aber um noch mehr: Mit dem Angebot will die Gesellschaft dazu beitragen, dass die Kommunen der Region mobilitätsfreundlicher werden und sich so als Wirtschaftsstandorte profilieren. Denn laut Prognosen werden die Verkehrsprobleme in den größeren Städten zunehmen. Schon heute sind sie immens: Allein nach Frankfurt am Main fahren täglich etwa 330 000 Berufspendler. Bei anderen Großstädten sieht es ähnlich aus. Um aber die Verkehrsflüsse zu verbessern und die Standortqualität der Kommunen weiter zu stärken, fördert die ivm eine effiziente und nachhaltige Mobilität. Hier setzt das Angebot an. Zunächst erfahren Kommunen und Betriebe in einer kostenlosen Erstberatung, welche Felder des Mobilitätsmanagements für sie am sinnvollsten sind und welche Ziele sie erreichen können. Es folgen unterschiedlich intensive Beratungsmodule: Als Basis sind für die Teilnehmer verschiedene Analysen verfügbar, in Workshops werden ihnen dann die fachlichen Grundlagen vermittelt und Mitarbeiter für das Mobilitätsmanagement qualifiziert.

„Die Arbeitgeber sind meist von Anfang an für eine nachhaltige Mobilität sensibilisiert und wollen sich wirklich darum kümmern“, hat ivm-Projektleiter André Bruns festgestellt. „Vielen geht es darum, dass ihre Mitarbeiter gut zur Arbeit kommen.“ Insgesamt sind die Beweggründe allerdings sehr individuell. Ein Unternehmen etwa konnte aufgrund seines Standorts nur schwierig Auszubildende gewinnen und wollte besser erreichbar werden. Andere planten, Fuhrparkkosten zu reduzieren, Radstellflächen auszuweiten oder Parkplatzprobleme zu lösen.

Um erfolgreich zu sein, so glaubt man beim ivm, sei eine personelle Verankerung im Unternehmen essenziell. „In einigen Fällen sind die Organisationsstrukturen so zersplittert, dass das Thema nicht klar bei einer Stelle angesiedelt wird“, erzählt Bruns. Es müsse jedoch jemand gefunden werden, der das betriebliche Mobilitätsmanagement tatsächlich angehe. Auf dem weiteren Weg müssten alle Beteiligten die Aufgabe mittragen. „Das ist ein strategisches Thema, das den ganzen Betrieb betrifft und nicht nur einzelne Mitarbeiter.

 

Quotation mark

Unternehmen lassen sich zunehmend auditieren.

Die Maßnahmen, welche die Unternehmen ergreifen können, umfassen zum Beispiel die Festschreibung eines Vorrangs von Bus und Bahn auf Geschäftsreisen, die Einführung von Jobtickets, Fahrgemeinschaftsbörsen und Carsharing, Spritspartrainings sowie die Anpassung der Arbeitszeiten an ÖPNV-Taktzeiten. Sehr gut angenommen werden derzeit die E-Bike-Angebote, beobachtet Bruns, „hier sind die Unternehmen extrem offen“. Das gelte auch für die Möglichkeiten eines Fahrrad-Leasings, bei dem die ivm seit Kurzem mit dem Projekt bike + business in Frankfurt am Main kooperiert. In diesem Feld ist das Firmeninteresse seit der Ausweitung des Dienstwagen-Privilegs auf Fahrräder im Jahr 2013 stark gestiegen.

Bei Alnatura ist man derzeit noch in der Planungsphase, dennoch hat Christiane Meyer als Mobilitätsverantwortliche bereits erste Erfahrungen mit dem ivm-Angebot gemacht: „Ich werte es schon als Zwischenerfolg, dadurch erstmals ein klares und objektives Bild über das derzeitige Mobilitätsverhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen zu haben. Nun können wir gezielt die richtigen Maßnahmen wählen“, lobt sie. Am wichtigsten aber sei das Netzwerk, das von der ivm koordiniert werde. „Bei den Gesprächen und Beratungen sitzen in der Regel gleich alle relevanten Ansprechpartner an einem Tisch, seien es Vertreter der Nahverkehrsorganisation oder der städtischen Verkehrsentwicklung“, berichtet Meyer.

André Bruns verweist ebenfalls auf die Fruchtbarkeit des Netzwerks. Denn auf diese Weise könnten Arbeitgeber bei öffentlichen Maßnahmen wie zum Beispiel der Einführung eines Fahrradvermietsystems erwirken, dass am Firmenstandort eine Mietstation errichtet wird. „Das Zusammenspiel funktioniert meist sehr gut“, erzählt er.

Trotz einiger kritischer Stimmen von Verkehrsfachleuten: Die Wirkung des Programms macht sich bemerkbar. So hat die IHK Darmstadt Rhein Main Neckar festgestellt, dass inzwischen mehr Personen häufiger pro Woche mit Bus und Bahn unterwegs sind als noch 2010. Auch fährt ein größerer Anteil täglich mit dem Fahrrad. Im IHK-Bezirk haben sich bisher 48 Teilnehmer, darunter Mittelständler aus Produktion und Handel, beraten lassen. Dadurch wurden mehr als 30 000 Beschäftigte erreicht. „Das Programm hat mittlerweile eine Eigendynamik entwickelt“, erzählt Bruns. „Unternehmen lassen sich zunehmend auditieren“ (siehe Kasten). Gute Aussichten also für weniger Staus und stressfreieres Ankommen im Büro.

Mit einem Audit zum Zertifikat

Eine Auditierung ist auch für Nicht-Teilnehmer des Beratungsprogramms „Südhessen effizient mobil“ möglich, die ein betriebliches Mobilitätsmanagement betreiben. Im Rahmen des Audits prüft die ivm unter anderem, ob vereinbarte Maßnahmen zur Mobilität im Sande verlaufen sind. Das sei in manchen Fällen zwar schon vorgekommen, so Projektleiter André Bruns, „aber in der Regel bespielen die Teilnehmer das betriebliche Mobilitätsmanagement auf Dauer“. Für ihr Engagement erhalten diese ein IHK-Zertifikat für Mobilitätsmanagement. Das Programm wird inzwischen ebenfalls im IHK-Bezirk Frankfurt angeboten und soll auf die gesamte Metropolregion ausgeweitet werden. Einige Kommunen hätten schon Interesse geäußert, freut sich Bruns.

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