Stelle Dir für einen kurzen Augenblick die Skyline von Manhattan vor, fotografiert in der Abenddämmerung aus erhöhter Position. Eine ikonische Aufnahme, die im Grunde nur ein Dutzend Wolkenkratzer zeigt – und trotzdem so viel mehr Aussagekraft besitzt. Das perfekte Sinnbild für Architekturfotografie und deren Wirkung.
Besonders eng ist Fotografie mit Architektur verbunden, wenn es darum geht, Transformationsprozesse zu veranschaulichen. Vergleicht man Manhattan um 1900 mit den baulichen Highlights, die heute auf der Stadtinsel stehen, so wird nicht nur die veränderte Architektur an sich deutlich. Aus einer einzigen Fotografie lassen sich die ökonomische Potenz der Stadt und der politische Anspruch der Supermacht USA herauslesen. Genauso wie der eigentliche Nutzen der Architektur, die auf den Platzmangel mit immer höheren Gebäuden reagiert hat. Sofort wird klar: In Anbetracht der beengten landschaftlichen Verhältnisse ordnet Fotografie Architektur auch räumlich ein.
Schnell stellt sich die Frage, wer da eigentlich wen bekannt gemacht hat. Ist der Ruhm der Skyline Manhattans dadurch begründet, dass dort auf engstem Raum architektonische Meisterwerke geschaffen wurden, die vor allem Architekten weiter verbreiteten und so ganze Epochen prägten? Oder ist es die mediale Aufmerksamkeit und ästhetische Sogwirkung, die nur Architekturfotografen mit ihren Bildern schaffen konnten?
Beides. Fotografie und Architektur sind zwei Seiten einer Münze. Das führt dazu, dass sich die Disziplinen wechselseitig verstärken und somit ihre Signifikanz steigt. Das Renommee eines Architekturfotografen definiert sich selbstverständlich über die Attraktivität des Gebäudes, das er fotografiert. Das Renommee eines Architekten ist unter anderem davon abhängig, ob die Bilder seiner Kreationen bekannt werden.
Die gegenseitige Abhängigkeit geht in einigen Fällen sogar soweit, dass sich der Architekt bereits während des Entwurfs von Architekturfotografien leiten lässt, während sich ein Fotograf einem Gebäude anders nähert, wenn er den konzeptionellen Gedanken des Architekten kennengelernt hat.