Mittelstand hatte sich für Jamaika-Koalition ausgesprochen

Nach dem Feststehen der Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 deutete bereits viel auf eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hin. Rund drei Wochen später haben alle drei Parteien entschieden, in gemeinsame Koalitionsverhandlungen einzusteigen. Die deutschen Mittelständler hatten hingegen eine Jamaika-Koalition favorisiert mit der CDU als starkem Partner der kleineren Parteien: Gut 34 Prozent von 1.600 befragten Unternehmen votierten kurz vor der Wahl in einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) für ein solches Bündnis. Die Ampel kam auf vergleichsweise schwache 18,5 Prozent. Laut BVMW-Bundesgeschäftsführer Markus Jerger fürchteten die Entscheider bei einer SPD-geführten Regierung eine „Politik immer neuer Belastungen“.

Vermögenssteuer ist vom Tisch

Dass es nun wirklich so kommt, ist Ende Oktober eher unwahrscheinlich. Ohnehin hatte sich die SPD klar für Bürokratieabbau, das Vorantreiben der Digitalisierung sowie eine Gründerförderung ausgesprochen, die eine schnelle und unbürokratische Unternehmensgründung ermöglichen soll. All diese Punkte finden von der Mehrzahl der Mittelständler Unterstützung. Auf der anderen Seite hatten sich die Sozialdemokraten und auch die Grünen für eine Erneuerung der Erbschaftssteuer sowie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer eingesetzt, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor Probleme stellen und das Wachstum bremsen könnten. Die Befürchtung: Durch die Vermögenssteuer könnte Geld vermehrt ins Ausland verlagert und somit der deutschen Wirtschaft entzogen werden.

Doch mit dieser Forderung konnten sich die beiden Parteien in den Verhandlungen mit der FDP ebenso wenig durchsetzen wie mit der Erhöhung anderer Abgaben. Im ersten Sondierungspapier heißt es: „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“

Gut 34 Prozent von 1.600 befragten Unternehmen votierten kurz vor der Wahl in einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) für ein solches Bündnis. 

Die FDP setzt sich durch: BVMW zufrieden

Die Grünen hatten sich schon im Vorfeld der Wahl in einigen Aspekten durchaus unternehmerfreundlich gezeigt. Sie stellten beispielsweise staatliche Unterstützung für die klimatechnische Modernisierung der Stahl- oder Zementindustrie in Aussicht. Auf der anderen Seite forderten auch die Grünen neue Belastungen für den Mittelstand. Laut einer Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hätten sich alle von den Grünen erdachten Steuererhöhungsvorschläge auf eine Mehrbelastung von 36 Prozent summiert.

Doch auch diese Forderungen sind nach den ersten Gesprächen offenbar vom Tisch. Die FDP, so scheint es, hat ihre Vorstellungen bei den Sondierungsgesprächen in Bezug auf wirtschaftliche Aspekte weitgehend durchsetzen können. Sie hatte mit umfassenden Plänen zur Entlastung von KMU um Wähler geworben. Umfangreicher Bürokratieabbau, eine Erleichterung von Investitionen und die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung waren zentrale Aspekte des Wahlprogramms.

So bewertet der BVMW das Sondierungspapier im Grundsatz als positiv. „Bei den Sondierungen hat sich an entscheidenden Stellen die wirtschaftspolitische Vernunft durchgesetzt. Das zeigt vor allem die klare Absage an neue Substanzsteuern und Steuererhöhungen. Die Unternehmen erhalten dadurch Planungssicherheit und Spielraum für dringend notwendige Investitionen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit“ sagte Jerger der Deutschen Presse-Agentur.

Der Verband ruft die mutmaßliche künftige Regierung zudem zur Bildung einer sogenannten „Transformationsallianz“ auf. Diese soll unter Einbindung des Mittelstands Eckpunkte der Transformationen in den Bereichen Energie, Industrie und Digitalisierung festschnüren.

Weitere Erkenntnisse aus dem Sondierungspapier

Als die wichtigsten Herausforderungen für die nächsten Jahre bezeichnen die Parteien den Klimawandel, die Digitalisierung, die Sicherung des Wohlstands, den sozialen Zusammenhalt und den demographischen Wandel. Einige Punkte, die abgesehen vom Verzicht auf Steuererhöhungen auch Mittelständler betreffen, wurden bereits konkretisiert:
 

  • Der Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung soll auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern.
  • Investitionen in Anlagen, die zur Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft beitragen, sollen durch eine „Superabschreibung“ forciert werden, also die Möglichkeit einer deutlich schnelleren Abschreibung als bisher.
  • Fachkräfte sollen schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können.
  • Gewerkschaften sollen dabei unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle einzuführen.
  • Der Gender Gap soll verringert werden, ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen wird angestrebt.
  • Der Mindestlohn wird zunächst auf zwölf Euro erhöht, darüber hinaus soll wieder die Mindestlohnkommission über Anpassungen entscheiden.
  • Die Mini-Job-Grenze wird auf 520, die der Midi-Jobs auf 1.600 Euro erhöht.
  • Bei gewerblichen Neubauten sollen geeignete Dachflächen künftig verpflichtend für die Solarenergie genutzt werden.
  • Ein Tempolimit wird es nicht geben.
  • Umweltschädliche Verbrennungsmotoren sollen noch vor 2035 verboten werden.