Lieferkettengesetz: Bundesregierung unterstützt schärferes Lieferkettengesetz der EU-Kommission
Das deutsche Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) ist seit Anfang 2023 in Kraft. Unter anderem verpflichtet es hierzulande agierende Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten in globalen Supply Chains. Beschlossen wurde es bereits von der Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die von ihrem Nachfolger Olaf Scholz geführte Ampelkoalition unterstützt das kommende EU-Lieferkettengesetz, das in Teilen mit strengeren Regeln und härteren Strafen über das deutsche Modell hinausgeht.
So räumt es beispielsweise ein Klagerecht von Betroffenen gegen Firmen ein, sollten deren Lieferketten Schäden an Menschen oder Umwelt verursachen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden könnten auf dieser Basis also zukünftig Schadensersatzforderungen vor europäischen Gerichten geltend machen. Gemäß der Einigung vom 14. Dezember 2023 zwischen den europäischen Gesetzgebungsorganen und den EU-Staaten soll Fahrlässigkeit der Unternehmen dafür ausreichen.
Dies ist ein Punkt, bei dem Deutschland gewisse Einschränkungen vornehmen wollte. Denn hiesige Unternehmerverbände äußerten teilweise deutliche Kritik. Sollten Produkte oder Produktionsprozesse einmal als bedenkenlos zertifiziert worden sein, dürften die Unternehmen nur noch im Falle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz für Verletzungen haften, argumentierten sie. Diese Abschwächung ist auch als „Safe-Harbour-Regelung“ bekannt.
Zusätzlich ist in dem EU-Vorschlag ein Umweltaspekt verankert: Größere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro weltweit müssen Strategien vorlegen, wie sie ihr Business in Einklang mit dem 1,5-Grad-Klimaziel bringen. Der Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz soll noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 verabschiedet werden. Vorausgesetzt, Europaparlament und Ministerrat stimmen dem Vorhaben zu, was als reine Formsache gilt. Anschließend sollen alle EU-Staaten die Direktive innerhalb von maximal zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.
LkSG 2024: Rund 3.000 deutsche Unternehmen betroffen
Das deutsche Lieferkettengesetz betraf ab dem 01.01.2023 zunächst nur rund 700 deutsche Großunternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, die Produkte oder Materialien aus dem Ausland beschaffen. Seit Anfang 2024 müssen sich auch Betriebe ab einer Belegschaft von 1.000 Beschäftigten an die Regelungen halten; das sind immerhin schon knapp 3.000 Unternehmen. Nach den Inhalten des EU-Vorschlags müssten sich Unternehmen bereits ab 500 Mitarbeitern nach den Regelungen richten.
Sollten die betroffenen Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, drohen Bußgelder. Zudem sollen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Gewerkschaften künftig ermächtigt werden, Leidtragende vor Gericht zu vertreten, wenn Missstände in den Lieferketten auftreten. Zivilrechtlich haften müssen Unternehmen nach dem deutschen Gesetz jedoch nicht.
Initiative Lieferkettengesetz: Das steckt dahinter
Die Idee des deutschen Lieferkettengesetzes gründet auf einer Initiative von 18 zivilgesellschaftlichen Organisationen, zu denen unter anderem „Brot für die Welt“ und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gehören. Sie wollen damit die Achtung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt fördern – und zwar über die gesamte Supply-Chain hinweg, also auch im Ausland.
Freiwillig kämen die Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach, erklären die Initiatoren des Lieferkettengesetzes. Die im November 2023 veröffentlichte Studie „Corporate Human Rights Benchmark“ mit Angaben von 55 der weltweit einflussreichsten Bekleidungsunternehmen zeigt beispielsweise: Lediglich ein Drittel (34 Prozent) weist „klare interne Verantwortlichkeiten für die tägliche Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen zu“. 14 Prozent tun in dieser Hinsicht nichts.
Lieferkettengesetz: Fürsprecher und Kritiker
Die Initiative Lieferkettengesetz – ein Verbund aus mehr als 125 zivilgesellschaftlichen Organisationen – sprach zur Einführung des deutschen Lieferkettengesetzes von einem „überfälligen Schritt in die richtige Richtung“. Ein Malus sei jedoch, dass das Gesetz zunächst nur für wenige Unternehmen gelte. So sind Betriebe unter 1.000 Mitarbeitenden nicht davon betroffen.
Kritik im Zuge der Einführung kam auch von Unternehmensverbänden. Sie bemängelten höhere Kosten aufgrund der Umsetzung und sahen den Standort Deutschland bedroht. Vor allem Wirtschaftslobbyisten befürchteten Einbußen bei der Wettbewerbsfähigkeit.
Konsequenzen für die Wirtschaft und den Einkauf
Wie sich das Lieferkettengesetz im ersten Jahr der Praxis auf die Unternehmen ausgewirkt hat, ermittelten die Hochschule für angewandte Wissenschaft Ansbach und die EQS Group für eine im Oktober 2023 vorgestellte gemeinsame Studie. Eingeflossen sind darin Angaben von 500 Unternehmen verschiedener Größenordnungen mit Sitz oder einer Zweigniederlassung in Deutschland. Hier die wichtigsten Ergebnisse.
- Gut drei Viertel (72,8 Prozent) haben keine ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen für die Umsetzung und Digitalisierung ihrer Sorgfaltspflichten.
- 38 Prozent sehen fehlendes Verständnis für die Anforderungen seitens ihrer Zulieferer.
- 36 Prozent bemängeln unklare Vorgaben und Rechtsbegriffe.
- 33,4 Prozent fehlt der Einblick in die eigene Lieferkette.
- Ein Drittel (33,2 Prozent) beklagt den großen Bürokratieaufwand.
„Die Sorgen der Befragten sind vielfach berechtigt und zumindest kurzfristig nachvollziehbar. Denn die Umsetzung des Gesetzes ist eine sehr komplexe Aufgabe, die Zeit und Know-how verlangt“, erklärt dazu Professorin Dr. Stefanie Fehr von der Hochschule Ansbach.
Sie sagt aber auch: „Spätestens, wenn die noch strengere EU-Lieferkettenrichtlinie, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD, kommt, wird die Akzeptanz für diese Maßnahmen steigen, denn dann sind die deutschen Unternehmen dank des Vorläufers LkSG bereits gut aufgestellt und der aktuelle Wettbewerbsnachteil dürfte zu einem Vorteil werden.“
Tipps für den Umgang mit dem deutschen Lieferkettengesetz
Das deutsche LkSG stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen. Um die organisatorischen Aufgaben zu erfüllen, sind einige grundlegende Schritte erforderlich. Dazu geben die Autoren der obigen Studie folgende Handlungsempfehlungen.
- Basis sind strukturiert ermittelte und ausgewertete Stammdaten. Sie sollten zwecks einfacher Verarbeitung digital erhoben werden.
- Zu Beginn genügt eine eher einfache Risikoanalyse. Dabei geht es um die wichtigsten Hochrisikothemen und Lieferanten(gruppen).
- Im nächsten Schritt muss eine verfeinerte Auswertung vorgenommen werden, um die wichtigsten anstehenden Aufgaben zu priorisieren.
- In der Folge sind geeignete konkrete Maßnahmen zu treffen, um den Anforderungen des Lieferkettengesetzes zu genügen. Das kann nicht nur erkannte Sozial- und Umweltrisiken betreffen, sondern auch geschäftliche Aspekte. Zu untersuchen sind hier unter anderem Konsequenzen für Abteilungen wie Einkauf, Vertrieb, Compliance, Geschäftsführung, Human Resources und Operations.