Alle zwei Tage werden heute so viele Daten erzeugt wie vom Beginn der Menschheitsgeschichte bis zum Jahr 2003. Nähme man die Sandkörner aller Strände der Erde, käme man nur auf ein Sechstel dieser Menge. Der Vergleich zeigt, wie herausfordernd es für Unternehmen ist, die wachsenden Datenmengen nicht nur zu speichern und zu verwalten, sondern sie für den Geschäftserfolg einzusetzen. »Big Data Analytics« heißt das Zauberwort. Es soll helfen, Prozesse und Produkte zu verbessern.

Für manche liegen die Vorteile schon heute klar auf der Hand: Ein Mineralölkonzern, beispielsweise, setzt Big Data Analytics ein, um fundierte Entscheidungen bei der Förderung und Produktion von Öl und Gas zu treffen. So können durch die genaue Analyse ständig übertragener Daten Schäden an Bohrköpfen vermieden werden. Windparks haben ein geringeres Ausfallrisiko, wenn alle Turbinen miteinander vernetzt sind. Der ständige Datenfunk hilft, Wartungskosten zu minimieren, und durch frühzeitiges Eingreifen treten Störfälle gar nicht erst ein. Doch noch nutzen erst wenige Unternehmen diese Möglichkeiten.

 

 

Konkreten Nutzen prüfen

Eine Studie der Universität Potsdam kommt zu dem Ergebnis, dass 70 Prozent der Handelsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Daten nie oder nur sehr selten auswerten. Studienleiter Norbert Gronau sieht den Grund dafür im fehlenden Know-how und zu geringen internen Ressourcen. Er sagt: »Big Data lässt sich nur schwer interpretieren – dafür werden Spezialisten benötigt.« 

Einer ist der Wiesbadener Service-Provider Freudenberg IT (FIT). Hier entwickelt man mit den Kunden konkrete »Use Cases«, die die Wertschöpfung herausarbeiten. Tobias Lange, bei FIT zuständig für das Projektmanagement Big-Data-Entwicklung, sagt: »Wir zapfen verschiedene Datentöpfe an, um Muster zu erkennen.« Dabei geht es vor allem darum, gewonnene Informationen miteinander zu verknüpften: »Beispielsweise bringen wir Daten aus Marketing und Produktion zusammen: Ein Spannungsabfall an einer Maschine könnte darauf hindeuten, dass sich die Qualität des Produkts ändert. So können Rückrufaktionen verhindert werden«, sagt Lange. 

Quotation mark

»Der Anteil der Unternehmen, die eine vorausschauende Wartung mittels Echtzeit daten betreiben, hat sich innerhalb eines Jahres von 27 auf 42 Prozent erhöht.«
PAC Unternehmensberatung

Ein wichtiges Big-Data-Einsatzszenario in der Fertigung ist »Predictive Maintenance«. Die »vorausschauende Wartung« ist ein typisches Beispiel für eine Anwendung, die herkömmliche Industrie-Prozesse mit intelligenter IT-Technologie verknüpft. So können bei einer Fließfertigung beispielsweise Qualitätsdaten mit Energiedaten, die mit einem Zeitstempel versehen sind, kombiniert werden. Die gewonnenen Informationen liefern wichtige Details für die Wartung. Intervalle können entsprechend angepasst werden. Sprich: Die Maschine wird nur bei Bedarf heruntergefahren und nicht mehr automatisch nach einer bestimmten Zeit.

Angst vor »Big Brother«?

 Bleibt das Problem mit der Datensicherheit. Der Branchenverband Bitkom hat Leitlinien entwickelt. Kundendaten sollen wirksam geschützt werden, die Datenverarbeitung nachvollziehbar sein. »Big Data bietet enorme Chancen, wirft aber auch neue ethische Fragen auf«, sagt Susanne Dehmel, Bitkom-Geschäftsleiterin. 

Die Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen. Unternehmen finanzieren sich irgendwann vielleicht weniger über den Verkauf ihrer Produkte und Maschinen, sondern viel stärker über Serviceleistungen wie Predictive Maintenance in Kombination mit dem Social-Media-Feedback. »Das Produkt ist nur noch der Türöffner, um den Kunden zu binden. Letztlich kauft der einen Sicherheitsstandard«, sagt Tobias Lange. »Aber hier steht der Mittelstand erst in den Startlöchern.«