Herr Schmid, wie kommt man von einer Online-Partnervermittlung wie Parship zu einem, mit Verlaub, zumindest auf den ersten Blick doch eher trockenen Geschäftsumfeld wie „Wer liefert was“?

Bevor ich zu Wer liefert was“ kam, habe ich mit Autoscout24, mobile.de, eBay und Parship über 15 Jahre lang Firmen aus dem Consumer E-Commerce-Bereich aufgebaut beziehungsweise geleitet. In dieser Zeit reifte in mir die Gewissheit, dass alles, was sich im B2C-Bereich im Internet entwickelt hat, sich irgendwann auch im B2B-Bereich entwickeln wird – nur mit einigen Jahren Verzögerung; langsamer, aber dafür viel größer. Davon bin ich heute noch mehr überzeugt als vor sechs Jahren. Als 2012 „Wer liefert was“ den Besitzer wechselte, bot sich mir die Chance, als geschäftsführender Gesellschafter einzusteigen. Seitdem verfolge ich die Vision, „Wer liefert was“ zu einem europäischen Internet-Champion aufzubauen und sehe uns auf einem guten Weg.

Was hat Sie an der Aufgabe wlw gereizt? Die Umstellung vom gedruckten Buch über die Daten-CD hin zur Onlineplattform war sicherlich ein oft auch steiniger Weg.

Ich glaube, dass das Online-B2B-Geschäft noch total am Anfang steht und das Potenzial gewaltig ist. Aber nicht nur das wirtschaftliche Potenzial hat mich gereizt. Ich möchte mit wlw ein europäisches Gegengewicht zu den amerikanischen und asiatischen Plattformen schaffen. Wir haben uns von einem Verlagsunternehmen mit Internetseite zu einer agil arbeitenden Internetcompany gewandelt, die mit „Wer liefert was“ und der Tochtergesellschaft EUROPAGES die führenden Online-B2B-Marktplätze in Europa betreibt. Dazu bedurfte es auch einiger internen, teilweise schmerzhaften Veränderungen. Anfangs mussten wir uns von rund 40 Personen trennen. Heute beschäftigen wir aber über 300 Mitarbeiter und damit mehr als doppelt so viele wie zu meinem Antritt im August 2012.

wlw wendet sich in erster Linie an mittelständische Unternehmen. Haben nicht gerade die Probleme mit der Digitalisierung?

Im Gegenteil, der deutsche Mittelstand hat wahrscheinlich den größten Bedarf, um den Anschluss bei der Digitalisierung nicht zu verpassen. Er sieht aktuell jedoch die Notwendigkeit dafür nicht immer – die Wirtschaftslage ist oftmals sehr gut und die Auftragsbücher sind voll. Doch wer sich heute nicht fit macht für die Zukunft, der darf sich nicht wundern, wenn er morgen von einem Wettbewerber überholt wird, den er heute noch gar nicht sieht.

Was bietet wlw seinen Kunden, das sie bei Mitbewerbern wie Amazon Business nicht bekommen?

wlw ist ein europäischer Player, das ist ein großer Vorteil im hiesigen Markt. Gerade deutsche Anbieter stehen chinesischen und US-amerikanischen Marktteilnehmern mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Wir sind ein neutraler Marktplatz und agieren selbst nicht als Händler, sind also kein potenzieller Wettbewerber. Darüber hinaus profitieren wir von einem großen Außendienst, der die Anbieter persönlich besucht und so die individuellen Bedürfnisse kennt und darauf eingehen kann. Wir können unsere Kunden neutral und umfänglich beraten, aufgrund unseres breiten Angebotsportfolios, das neben dem eigenen Marktplatz auch Onlinemarketing-Services bietet wie zum Beispiel Google Ads.

Außerdem haben wir ein anderes Geschäftsmodell als Amazon Business oder Alibaba. Alibaba ist aktuell damit beschäftigt, deutschen und europäischen Firmen einen Zugang zum chinesischen Markt zu bieten, da die Chinesen scharf auf europäische Produkte sind. Amazon Business ist sehr stark im Bereich der C-Teile (schnelldrehende Produkte mit niedriger Marge, die in hoher Stückzahl verkauft werden), dort sind sie wahrscheinlich die Besten. Allerdings tritt Amazon auch als Händler auf und macht somit dem Mittelstand und dem Anbieter selbst Konkurrenz. Hier ist für den Anbieter Vorsicht geboten.

Wir sind aber vor allem bei Produkten stark, die einen hohen Individualisierungsgrad aufweisen. Solche Produkte werden nicht per Mausklick gekauft, hier geht es um die professionelle, seriöse Geschäftsanbahnung – und genau das bietet „Wer liefert was”.

 

 

Wie steht es um die internationalen Aktivitäten von wlw zwei Jahre nach der Übernahme von EUROPAGES?

Wir wollen der führende Online-B2B-Marktplatz in Europa werden und den GAFAs (steht für Google, Apple, Facebook, Amazon) dieser Welt den B2B-Bereich nicht kampflos überlassen. Dementsprechend setzen wir auf Internationalisierung. Ziel ist es, dem gesamten europäischen Mittelstand Zugang zum Markt zu gewähren. Nur so können wir europäischen Unternehmen eine echte Alternative zu Plattformen wie Alibaba, Amazon Business und Co bieten. Zusammen mit EUROPAGES können wir unseren Kunden bereits heute Sichtbarkeit in 26 Sprachen offerieren.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft?

Wie für viele andere Unternehmen im Tech-Bereich in Deutschland ist der Fachkräftemangel unser größtes Wachstumshemmnis. Aktuell haben wir rund 40 offene Stellen, vor allem aus dem Bereich der Web-Entwicklung und der Business Intelligence sowie im Vertrieb. Diese Stellen müssen wir schnellstmöglich besetzen, da wir sonst den zeitlichen Vorsprung, den wir durch unsere aktuelle Position haben, in den nächsten zwei bis drei Jahren einbüßen könnten. Deshalb schauen wir uns nicht mehr nur auf dem deutschen Markt um, sondern rekrutieren mittlerweile europaweit.

Zum Schluss, in Anlehnung an das Monty-Python-Zitat „And now for something completely different“: Verraten Sie uns Ihren Lieblingskünstler?

Beim Lieblingskünstler muss ich unterscheiden: Der Expressionist Otto Mueller gehört zu meinen Lieblingskünstlern der klassischen Moderne. Christian Holtmann ist ein aktiver Künstler, dessen Werke ich sehr schätze und von denen auch einige bei uns im Büro hängen.

Und Ihr Lieblingsfilm?

Da mag ich es klassisch: „Jenseits von Afrika“.