Wenn Maschinen Produkte für Individualisten bauen
Ein wesentliches Merkmal der Industrie 4.0 besteht darin, dass Produkte auch in Großserien hoch flexibel und bis zu einem gewissen Grad individualisiert hergestellt werden können. Produziert wird von Robotern, die in ein internes Netzwerk eingebunden sind und selbstständig arbeiten können, wobei sie sogar erkennen sollen, wenn Abweichungen von der programmierten Norm erforderlich sind. Zwar steckt diese Art der Produktion noch in den Kinderschuhen, doch Techniken wie der 3-D-Druck oder eigenständig agierende Serviceroboter zeigen schon jetzt das Potenzial der Industrie 4.0. Damit ändern sich mittel- bis langfristig auch die Anforderungen an die Mitarbeiter. So ist es durchaus denkbar, dass Menschen teilweise nicht mehr mit menschlichen Kollegen, sondern mit Robotern zusammenarbeiten.
Industrie 4.0: Alte Berufsbilder geraten ins Wanken
Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass mit dem weiteren Fortschreiten der Industrie 4.0 vor allem einfache Tätigkeiten wegfallen werden. So erklärt beispielsweise Konrad Wegener von der ETH Zürich, einer der weltweit führenden Hochschulen für Technik und Naturwissenschaften, dass in der Schweiz auf absehbare Zeit Arbeitsplätze für ungelernte Kräfte aussterben dürften. Für Deutschland wird dagegen prognostiziert, dass dieser Wegfall von Hilfstätigkeiten durch die 400.000 zusätzlichen Arbeitsplätze, die durch diese neuerliche industrielle Revolution geschaffen werden, mehr als kompensiert wird.
Nach einer Studie von Ingenics und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO wird sich vor allem das Anforderungsprofil von Produktionsmitarbeitern verändern. Künftig dürften auch in der Produktion Mitarbeiter gefragt sein, die neben einer hohen Handlungskompetenz über die Fähigkeit zum interdisziplinären Handeln und Denken verfügen. Weil die Digitalisierung alle Bereiche des Unternehmens erfassen dürfte, ist künftig bei den Mitarbeitern nicht nur IT-Wissen gefragt. Hinzu kommen die Fähigkeiten, komplexe Prozesse zu verstehen und umfangreiches Datenmaterial auszuwerten.
Industrie 4.0: Ein neues Denken ist gefragt
Quer durch alle Hierarchieebenen von Unternehmen hindurch, ist durch die Industrie 4.0 ein neues Denken und lebenslanges Lernen notwendig. Die wohl gravierendste Änderung: Systemtechnisches Denken wird das bisherige produktzentrierte Denken ablösen. Probleme müssen dann aus einer systemischen Sicht heraus angegangen und gelöst werden. Allerdings wird es für den einzelnen Mitarbeiter nicht notwendig sein, ein System samt all seiner Komponenten komplett zu kennen. Weil die Betriebe und alle Abteilungen stärker miteinander vernetzt werden, kann das notwendige Basiswissen intern abgerufen werden.
Auf die neuen Herausforderungen vorbereiten – aber wie?
Zwar scheint die Industrie 4.0 auf den ersten Blick Fachkräften und hoch qualifizierten Mitarbeitern sehr viel bessere Chancen zu bieten als weniger gut ausgebildeten Kräften. Die Innovationen des Arbeitsalltags vergangener Jahrzehnte haben allerdings gezeigt: Das Wissen um einfachere Tätigkeiten muss erhalten bleiben, um klassische Probleme verstehen zu können und Lösungen dafür zu erarbeiten. Beispielsweise wurde durch den flächendeckenden Einsatz von Computern bereits vor Jahrzehnten prognostiziert, dass der Industrie speziell im Maschinen- und Anlagenbau ein massiver Arbeitsplatzverlust bevorstehe. Unbeeindruckt von diesen Schätzungen beschäftigt der Maschinen- und Anlagenbau heute jedoch mehr als eine Million Menschen.
Unbestritten ist, dass dem Bereich Aus- und Weiterbildung künftig in allen Branchen ein weitaus größeres Gewicht zufallen wird als heute. Auch ist davon auszugehen, dass sich völlig neue Berufsbilder und -felder entwickeln werden. In den Unternehmen können heute schon die Grundlagen geschaffen werden, um die Mitarbeiter auf die Industrie 4.0 vorzubereiten.
Zu den wichtigen Aspekten gehört hier die Entwicklung transparenter Prozesse innerhalb des Unternehmens, damit eine engere Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen nicht am fehlenden Verständnis scheitert. Auch sollte die Motiva,tion der Mitarbeiter gestärkt und die Angst vor Veränderungen reduziert werden. Dies beinhaltet, Mitarbeiter aller Abteilungen stärker in innerbetriebliche Informationsprozesse einzubinden. Auch betrieblich geförderte Weiterbildungen haben sich als Instrument bewährt, um Mitarbeiter auf neue Herausforderungen positiv vorzubereiten.
Fazit
Die Industrie 4.0 stellt Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor komplett neue Herausforderungen. Zwar wissen viele Branchen noch nicht, wohin die Reise dieser neuen industriellen Revolution letztlich gehen wird, jedoch können die Betriebe schon jetzt damit beginnen, ihre Mitarbeiter auf den unvermeidbaren Wandel vorzubereiten. Wichtige Punkte sind eine bessere Informationspolitik sowie eine konsequente Aus- und Weiterbildung in allen Bereichen.