Josef Scherer ist Rechtsanwalt und Professor für Compliance und Risikomanagement. Er wird gerufen, wenn’s brennt. Meistens ist es dann fast zu spät. Wie im Fall des erst 40-jährigen Schreinermeisters, der mit einer Hirnblutung ins Koma fiel und keine Vorsorgevollmacht erstellt hatte. Der Schock saß tief bei seiner Familie und den 15 Mitarbeitern, die Handlungsfähigkeit des Betriebs stand auf der Kippe aufgrund der rechtlichen Pattsituation. Ähnlich kompliziert lag der Fall des Gerüstbauers, der Millionenprojekte über Aufzeichnungen in seinem privaten Notizbuch abwickelte. Nach dem Herzinfarkt des Endvierzigers stand die Firma fast vor der Pleite, weil niemand seiner rund 30 Mitarbeiter den Überblick über die Aufträge besaß. Das Unternehmen überlebte, aber nur mit großen Ertragseinbrüchen, von denen es sich bis heute nicht erholt hat. Fälle, die sich häufiger ereignen, als man denkt. Rund 60 Prozent der Mittelständler betreiben gar kein Risikomanagement und treffen keine Vorkehrungen, wenn der Betriebsablauf durch plötzliche Ereignisse ins Stocken gerät. Kann der Chef durch Unfall oder Krankheit seine Aufgaben nicht mehr erfüllen, stürzt das insbesondere Betriebe in die Krise, deren Führung stark von einer Person abhängt. Anwalt Scherer glaubt, dass in Deutschland aufgrund fehlender Prävention durch vermeidbare Firmenpleiten Schäden in Höhe von 60 Milliarden Euro entstehen. Das Bonner Institut für Mittelstandsforschung schätzt, dass rund ein Viertel aller Unternehmensnachfolgen in Deutschland unerwartet sind, etwa weil der Chef stirbt oder krank wird.
 

Frühwarnsystem installieren

 Aber es gibt auch positive Beispiele – Glück im Unglück sozusagen. Einen Unternehmer etwa, der an Krebs erkrankte, aber die Weichen für seine Nachfolge frühzeitig gestellt hatte. Er verstarb zwei Wochen nach Abschluss der Chemotherapie, nach der Feier eines Firmenjubiläums, das seine Verdienste besonders würdigte. Zum Glück hatte er kurz zuvor alle Verträge unterzeichnet, und so konnte der neue Geschäftsführer unverzüglich starten, weil er bereits über alles informiert war. »Risiken schlummern überall im Unternehmen«, sagt Scherer. »Sie beschränken sich nicht auf bestimmte Geschäftsbereiche. Deshalb sollte man ein Frühwarnsystem installieren.« Ein solches Risikosystem umfasst alle Führungsprozesse vom Personal über die Finanzen, den Einkauf, die Produktion bis hin zum Vertrieb. Ein häufiger Fehler: Das Umfeld wird ausgeklammert. Was passiert, wenn Kunden wegfallen, eine Finanzierung wegbricht oder Mitarbeiter Entscheidungen nicht mittragen? Für all diese Fälle müssen Vorkehrungen getroffen werden. Scherers Vorgehensweise klingt einfach: Top-Risiken identifizieren, geeignete Tools bereitstellen und dann mithilfe einer Soll-Ist-Analyse den Standort bestimmen. 
 

Notfallkoffer packen

 Der TÜV Süd bietet dafür Hilfe an und eine Zertifizierung. »Das ist kein großer Aufwand für Unternehmer, die schon mit der Thematik vertraut sind«, sagt TÜV-Risikomanager Claus Engler, der selbst schon mehr als einmal erlebt hat, wie schnell ein gesperrtes Bankkonto eine Firma handlungsunfähig machen kann. »Es wird zu viel an Symptomen herumgedoktert und unnötig Zeit und Geld verschwendet«, sagt Josef Scherer. Wichtig ist, dass alle Prozessabläufe dokumentiert sind. Schlägt das System Alarm, weiß man, was zu tun ist. Ebenfalls nicht unterschätzt werden dürfen die psychologischen Faktoren. Meist ist den Firmenlenkern bewusst, dass sie »etwas tun müssten«. Dringliche Tagesgeschäfte und die Erfahrung »Bisher ist nichts wirklich Schlimmes passiert« verdrängen aber meist langfristige Vorsorgepläne. Kommt es ganz schlimm und der Chef fällt aus, können transparente Betriebsabläufe der Firma das Leben retten. »Wir raten Unternehmern, ein Handbuch zu verfassen und einen Notfallkoffer zu packen«, sagt Claus Engler. Im Handbuch steht, wer welche Aufgaben des Chefs übernehmen soll und wer zu benachrichtigen ist. Auch Passwörter und Kontaktdaten von Steuerberater, Bank sowie wichtiger Kunden und Lieferanten sollten hinterlegt sein. Engler empfiehlt: »Packen Sie das Handbuch zusammen mit Vollmachten, Versicherungspolicen, Handelsregisterauszug und anderen wichtigen Dokumenten in den Koffer und verwahren Sie ihn an einem sicheren Ort.«
 

SCHNELL-CHECK

 Sieben Sofortmaßnahmen für den Krisenfall 

  1. Gesellschaftsvertrag und wichtige Beschlüsse suchen und sammeln. 
  2. Mitarbeiter nach den Dingen befragen, die momentan dringlich sind. To-do- Liste aufstellen und Aufgaben delegieren. Verantwortlichkeiten klären. 
  3. Geeignete Person benennen: Mitarbeiter, Steuerberater oder Rechtsanwalt der Gesellschaft. Und mit einem Anwalt sofort die Notgeschäftsführung bei Gericht beantragen.
  4. Mit der Bank sprechen und überlegen, wie Überweisungen getätigt werden können, beispielsweise ein neues Geschäftskonto einrichten (auf Privatnamen), damit die Firma finanziell handlungsfähig bleibt.
  5. Geschäftspartner informieren und Vertreter benennen. 
  6. Rechnungsschreibung sicherstellen.
  7. Steuerberater und Rechtsanwalt der Gesellschaft nach Besonderheiten und laufenden Fristen befragen.

Quelle: foerderland.de

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