Das südlichste Bundesland der Republik gilt seit Jahren als eines der wirtschaftlich stärksten. Paradoxerweise könnte möglicherweise genau diese Stärke dazu führen, dass sich die Digitalisierung in Bayern nur zögerlich durchsetzen wird. Welche Herausforderungen und welche Chancen die Umstellung unserer Kommunikation von Analog- auf Digitalsysteme bedeutet, diese Erkenntnis hat sich erst spät durchgesetzt im Freistaat. Vereinzelt gab es vor allem Vertreter der Kommunikationsbranche, die darauf hinwiesen: Die anstehende Digitalisierung könne „zugleich eine Chance für ein Konjunkturprogramm ohne große zusätzliche Kosten für den Staat sein“, sagte beispielsweise der 2012 verstorbene Senior Anton Kathrein, damaliger Chef des Weltmarktführers für Antennensysteme und Satellitentechnik, bereits im Jahr 2009.

Die Politik reagierte darauf zwar mit Interesse, aber ohne wirklich aktiv zu werden – bis jetzt: Nach Technologieinitiativen wie „Bayern Online“, „High-Tech Offensive“, „Offensive Zukunft Bayern“ und „Bayern 2020“ geht die Landesregierung mit „Bayern Digital“, die sich stärker als die vorherigen Strategien auf die Digitalisierung der Industrie und den Breitbandausbau fokussiert, in die Offensive. Das Bundesland solle dadurch zur „Leitregion beim digitalen Aufbruch“ werden. Dabei geht es neben dem Ausbau der Breitbandversorgung vor allem um die IT-Sicherheit, den gezielten Ausbau von Forschung, Technologietransfer, Qualifizierung und die Unterstützung von Existenzgründern in der digitalen Wirtschaft. Dafür sollen knapp 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.

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Bayern soll „Leitregion beim digitalen Aufbruch“ werden.

An Selbstbewusstsein mangelt es nicht, wenn die bayerische Landesregierung ihren Weg in die digitale Zukunft beschreibt. Nicht weniger als ein „neues Zeitalter der wirtschaftlichen Wertschöpfung und Technik“ werde durch diese Investitionen anbrechen. Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten wird das Zentrum Digitalisierung Bayern (ZD.B), das als landesweite Forschungs-, Kooperations- und Gründungsplattform geplant ist. Es bündelt dann die Aktivitäten von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen und wird seinen Sitz in Garching haben. Ein Schwerpunkt im ZD.B soll der Aufbau von Plattformen zu einzelnen Schlüsselthemen der Digitalisierung sein, um damit jeweils ein Bindeglied zwischen Hochschulforschung, außeruniversitärer Forschung und industrieller Entwicklung zu schaffen. Zum Start sind drei solcher Plattformen zu den Themen IT-Sicherheit, digitalisierte Produktion und vernetzte Mobilität vorgesehen. Zwei weitere Bereiche, digitale Medizin/Gesundheit und Digitalisierung im Energiebereich, werden folgen. Das Gesamtvolumen der geplanten Maßnahmen beläuft sich auf knapp 116 Millionen Euro bis 2019.

Flankiert wird die Initiative von zahlreichen weiteren Aktivitäten: So soll das Gründerzentrum WERK1 in München zum Gründerzentrum für Internet und digitale Medien umgebaut werden. Da der digitale Wandel nur mit der entsprechenden Infrastruktur möglich ist, investiert die Landesregierung zudem in den Ausbau der Breitbandnetze für ein schnelleres Internet auch in ländlichen Regionen. Nachdem die EU-Kommission die überarbeitete Breitbandrichtlinie der bayerischen Landesregierung aus dem Jahr 2012 genehmigt hat, kann nun die mit einem Finanzvolumen von 1,5 Milliarden Euro ausgestattete Initiative zum Ausbau der Datenleitungen in die Tat umgesetzt werden. Ziel des Freistaats ist es, bis 2018 flächendeckend Hochgeschwindigkeitsnetze zu schaffen. Dafür soll ein sogenanntes Breitbandzentrum aufgebaut werden, das Kommunen, Netzbetreibern, Unternehmen und Bürgern beim Breitbandausbau beratend zur Seite steht. Dieses Förderprogramm sei „bundesweit einzigartig“, so der bayerische Finanzminister Markus Söder.

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Digitale Lösungen bringen mehr Effizienz.

In der Landespolitik spielt der Proporz zwischen den einzelnen Regionen Bayerns eine große Rolle. So kritisierte der CSU-­Landtagsabgeordnete Alexander König die Digitalisierungsoffensive der Staatsregierung. Dem Politiker aus dem oberfränkischen Hof missfällt, dass das Zentrum „Digitalisierung“ und ein Sicherheitskompetenzzentrum in Garching sowie das Gründerzentrum „Internet und digitale Medien“ und das Zentrum für vernetzte Mobilität in München entstehen sollen. Nordbayern gerate wieder einmal ins Hintertreffen, befürchtet König: „Sollte ‚Bayern Digital‘ nicht besser ‚München­-Garching­-Digital‘ heißen?“ Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) versichert dagegen, die Programme würden „quer übers Land verteilt“. Auch die im Rahmen von „Bayern Digital“ geplanten 20 neuen Professuren sollen in ganz Bayern installiert werden. Doch wird der Mittelstand diese staatlichen Angebote zur Forcierung des digitalen Wandels in den Unternehmen überhaupt annehmen?

Tatsächlich klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Lücke. 94 Prozent der bayerischen Unternehmen geben an, dass sie von der Digitalisierung betroffen sind. Bislang haben sich aber erst drei Prozent der Betriebe voll auf die digitale Revolution eingestellt, geht aus einer vom BIHK veröffentlichten Umfrage hervor. Die bayerischen Mittelständler verspüren aufgrund guter Konjunkturdaten bislang kaum Handlungsdruck. Probleme wie IT-­Sicherheit und hohe Investitionskosten kommen hinzu. Nach wie vor sind digitale Technologien laut BIHK­-Umfrage für 70 Prozent der kleineren Firmen kein Investitionsthema, obwohl durch deren Einsatz das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent pro Jahr wachsen könnte. Vor allem diesen Unternehmen versucht Otto Beierl von der LfA Förderbank Bayern, Investitionen in den digitalen Wandel schmackhaft zu machen: „Digitale Lösungen bringen mehr Flexibilität, Qualität, Schnelligkeit und Effizienz.“ Ob sich Bayerns Mittelstand davon überzeugen lässt, wird die Zukunft zeigen.

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