Inflation 2022: Umsatz im Handel bricht ein

Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges belasten die internationalen Lieferketten stark. Dies sorgt dafür, dass eine hohe Nachfrage auf ein geringes Angebot trifft. Deshalb ziehen seit Monaten die Kosten für praktisch sämtliche Güter und Ressourcen deutlich an. Mittlerweile hat sich daraus eine ausgeprägte Inflation entwickelt – auch in Deutschland. Gemessen am Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat lag hier die Inflationsrate im September 2022 bei 10 Prozent.

„Hauptursachen für die hohe Inflation sind nach wie vor Preiserhöhungen bei den Energieprodukten“, sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Die Auswirkungen machen sich in den meisten Branchen negativ bemerkbar. Beispiel Einzelhandel: Dessen Umsatz nahm im Juni 2022 preisbereinigt (real) um 8,8 Prozent im Vorjahresvergleich ab. Laut Destatis ist das der größte Rückgang seit Beginn der sogenannten Zeitreihe 1994.

Wie ernst die Auswirkungen der Inflation sind, hat mittlerweile auch die Europäische Zentralbank (EZB) erkannt. Nach langem Zögern änderte sie ihre Nullzinsstrategie und hob am 21. Juli 2022 den Leitzins deutlich auf 0,5 Prozent an. Weitere Maßnahmen in dieser Richtung seien angesichts aktueller Entwicklungen möglich, erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Entscheidung.
 

Ein Drittel der Unternehmen bleibt auf hohen Kosten sitzen

Dass die Inflation konkrete Auswirkungen hat, zeigt eine im Juni veröffentlichte Konjunkturumfrage zur Preisentwicklung in Deutschland des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Demnach sind die Erzeugerpreise im Vorjahresvergleich zuletzt um 33,5 Prozent angestiegen. Basis ist eine Umfrage unter mehr als 2.000 Industriefirmen. Von diesen erwarten über 90 Prozent bis zum Ende des laufenden Jahres starke und mittlere Effekte auf ihre eigenen Preise.

Als Reaktion wollen zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmen ihre Angebote an die Kunden in hohem bis mittlerem Umfang verteuern. Das restliche Drittel sieht jedoch kaum Möglichkeiten, um Preissteigerungen durchzusetzen. Das gilt unter anderem für das Baugewerbe. Dessen Kosten nehmen im Spannungsfeld zwischen anziehenden Rohstoffpreisen, hoher Nachfrage und fehlenden Fachkräften zu. Aber lediglich zehn Prozent der Unternehmen können den finanziellen Aufwand in Form von angepassten Preisen an die Kunden weiterreichen.

Alle anderen stehen vor ernsten Problemen, wie Studienautor und Konjunkturexperte Michael Grömling sagt: „Den Unternehmen fehlen dann die notwendigen Eigenmittel für Investitionen, vor allem, um den anstehenden Strukturwandel zu gestalten. Der gegenwärtige Kostenschock darf keine Eigendynamik entwickeln – etwa über stark steigende Arbeitskosten.“
 


Wie Unternehmen die Folgen der Inflation meistern können

Was können Unternehmen tun, um die Auswirkungen der Inflation abzumildern? Dazu bieten sich vor allem folgende fünf Maßnahmen an.
 

  • Ein wichtiges Instrument sind Mitarbeiter in der Finance-Abteilung, die bereits Erfahrung im Umgang mit Inflation haben. Daran mangelt es in Deutschland allerdings, denn hier spielte dieses Thema bisher kaum eine Rolle. Doch weil es die hiesige Wirtschaft voraussichtlich länger beschäftigen wird, lohnt es sich, einen entsprechenden Schwerpunkt im Recruiting zu setzen. Wer Personal mit Kenntnissen hinsichtlich von Inflation und deren Auswirkungen sucht, sollte sich in stark betroffenen Ländern wie Argentinien oder Brasilien umsehen.
  • Auch Umsatzplanung und -steuerung sollten angepasst werden. Dafür empfiehlt sich eine enge Einbindung des Bereichs Sales und Marketing. Da sich die Inflation stark bei den Beschaffungs- und Produktionskosten bemerkbar macht, schrumpfen Umsatz und Margen. Hier kann eine gute Kunden- und Profitabilitätsplanung entgegenwirken, die beispielsweise Abnehmerpreise erhöht sowie den Produkt- und Servicemix optimiert.
  • Ein weiterer Ansatzpunkt ist ein intelligentes Kosten-Management. Dafür sollte das Finance-Team verstärkt mit der Unternehmensführung zusammenarbeiten. Das Ziel sollte dabei, die Analyse von kurz- bis langfristigen Chancen und Risiken, sein. Das betrifft nicht zuletzt das Lieferantenportfolio und eine nachhaltige Absicherung der Lieferfähigkeit. Eine andere Möglichkeit sind flexible Verträge, die statt fester Preise sogenannte Preisgleitklauseln enthalten. Diese erlauben es Unternehmen, steigende Kosen für Rohstoffe oder Energie an die Kunden durchzureichen. Unterstützen können dabei digitale Lösungen im Rahmen des Enterprise-Performance-Managements.
  • Sinnvoll ist außerdem eine ausreichende Liquidität, um auf sich ändernde Bedingungen reagieren zu können. Das bedeutet einerseits, eigene Zahlungsziele möglichst auszuschöpfen, und andererseits, Kunden zum zügigen Bezahlen der Rechnungen zu bewegen. Gegebenenfalls hilft eine Kreditlinie bei der Hausbank, um damit schnell Zugriff auf zusätzliche finanzielle Mittel zu haben. Alternativ bieten sich Darlehen mit einem festen Zinssatz für drei bis fünf Jahre an.
  • Wie bereits erwähnt, sind fähige Finance-Kräfte eine große Hilfe im Kampf gegen die Auswirkungen der Inflation. Sie sollten deshalb stark an das Unternehmen gebunden werden. Denn kündigen sie, kostet das nicht nur Geld für die Suche nach neuen Talenten. Es gehen auch Wissen, Reputation, Motivation und Produktivität verloren. Um das zu vermeiden, muss die Finance-Führung engen Kontakt zu ihren Mitarbeitern halten und auf deren Bedürfnisse eingehen. Das kann ein höheres Gehalt betreffen, aber auch flexible Arbeitszeitmodelle oder geldwerte Vorteile. Letztlich geht es darum, ein gutes Anreizsystem zu etablieren beziehungsweise auszubauen.