Viele kostentreibende Faktoren
Die Corona-Pandemie ist abgeebbt, doch ihre Folgen auf dem internationalen Beschaffungsmarkt wirken spürbar nach. Weitere erhebliche negative Effekte löste der Ukraine-Krieg aus, dessen Ende nicht absehbar ist. Beide Ereignisse führten und führen zu erheblichen Engpässen in den Lieferketten. Dadurch bedingt erreichten die Preise für Rohstoffe, Energie und Logistik teils Rekordhöhen, gefördert nicht zuletzt durch eine erhebliche Inflation. Diese und weitere kostentreibende Faktoren verlieren zwar langsam an Momentum, verschärfen aber trotzdem bis auf Weiteres den Wettbewerb.
Der anhaltende Druck wirkt dämmend auf die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik. Stellvertretend für viele Stimmen betitelt das IFO-Institut seine Konjunkturprognose für den Herbst 2023: „Konjunktur in Deutschland kühlt weiter ab“. Demnach wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,4 Prozent zurückgehen. Zu beobachten sei auch eine Abkühlung der Weltkonjunktur.
Darunter leidet nicht zuletzt der deutsche Mittelstand. Seine Produkte und Dienstleistungen sind häufig stark auf die – oft internationalen – Kunden zugeschnitten und/oder vergleichsweise komplex und somit hochpreisig. Das macht es kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schwer bis unmöglich, zusätzliche finanzielle Aufwände adäquat an die Klientel weiterzugeben.
Welche Gefahren drohen dem deutschen Mittelstand?
Die aktuell instabile Lage birgt kritische Risiken. Zwar führte die nachlassende Corona-Pandemie zu einem gewissen Nachholeffekt, aber der davon ausgelöste Güternachfrage-Boom ist bereits ausgelaufen. Hin- und hergerissen zwischen zunächst gedrosselter, dann hochgefahrener und wieder gebremster Produktion sind Betriebsausgaben, Umsätze und Margen schwer kalkulierbar. Das behindert Investitionen sowie den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten.
Nicht zu vergessen sind organisatorische sowie finanzielle Belastungen durch immer neue regulatorische und bürokratische Vorgaben – auch hinsichtlich des durchaus wichtigen Themas Nachhaltigkeit (zum Beispiel ESG).
Unwägbar ist und bleibt vorerst die Entwicklung im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Eine Eskalation könnte zu einer Rezession oder gar Depression führen, wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem Kommentar schreibt. Ein weiteres Risiko seien Finanzkrisen in einigen Schwellenländern, welche den globalen Handel beeinträchtigen könnten. Das gelte ebenso für die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den USA und China.
Ein weiterer Negativfaktor ist und bleibt der Fachkräftemangel im Einkauf. Die bedarfsgerechte, personelle Ausstattung ist immer schwerer zu erreichen und bindet zunehmend organisatorische und finanzielle Ressourcen.
Auf diese Gemengelage haben kleine und mittlere Unternehmen praktisch keinen Einfluss. Auf interne Prozesse allerdings schon. So haben laut EU-Parlament erst 17 Prozent der KMU in der Union digitale Technologien erfolgreich integriert. Angesichts dessen, dass sie gut 99 Prozent aller Unternehmen und mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft ausmachen, liegt hier noch viel Potenzial brach.
Worauf müssen KMU jetzt achten?
Die volatilen Beschaffungsmärkte fordern die meisten Unternehmen stark heraus. Zum einen müssen sie die globalpolitische Lage im Blick behalten, zum zweiten schnell auf Kostenentwicklungen reagieren und zum dritten dürfen sie nicht ihre langfristige Planung vernachlässigen. Für diese Probleme brauchen insbesondere hoch spezialisierte KMU individuelle Lösungen. Auf dem Weg dorthin können folgende Tipps helfen.
- Je länger und komplexer Lieferketten sind, desto eher können sie reißen. Deshalb sollten die Wege möglichst kurz und die Anzahl der Stakeholder klein sein. Abhängig von Geschäftsmodell, Markt und Wettbewerb kann es sinnvoll sein, sich Beschaffer in geografischer Nähe zu suchen. Im Idealfall lassen sich Quellen in Europa oder sogar in Deutschland finden.
- Wenige Lieferanten führen leicht zu Abhängigkeiten – vor allem bei essenziellen Produkten und Dienstleistungen. Besser ist hier eine breitere Aufstellung des Einkaufs. Mehrere alternative Versorger stärken die Selbstständigkeit und bieten bei Engpässen mehr Ausweichmöglichkeiten.
- Eine hohe Kundenzufriedenheit ist gerade jetzt von entscheidender Bedeutung. Unternehmen müssen deshalb auf ihre Zielgruppe zugehen und sie mit guter, vertrauensbildender Kommunikation auf allen Kanälen an sich binden. Im besten Fall übernehmen digitale Tools weitgehend automatisch den Austausch mit den Lieferanten, beispielsweise mittels verschränkter Systeme für die integrierte Abwicklung von Bestellungen, deren Transport und Bezahlung (ERP-Software).
Erreichen lassen sich diese Ziele mit einem strategisch gut aufgestellten Einkauf. Er regelt agil die kleinteiligen operativen Angelegenheiten und bietet seinem Unternehmen zugleich eine langfristig gesicherte Beschaffung. Dabei hilft ihm ein geeignetes Arsenal an digitalen Instrumenten. Sie unterstützen ihn, Angebote zu vergleichen, Lieferzeiten und -fristen zu beobachten und strategisch angelegte Entscheidungen zu treffen.
Die analytischen Fähigkeiten der Tools optimieren nicht nur den Einkauf selbst. Sie machen ihn zugleich zu einem wichtigen Datenlieferanten für andere Abteilungen sowie das übergeordnete Management. So können die Instrumente und Informationen der Beschaffung maßgeblich zum gesamten Unternehmenserfolg beitragen.