Was ist Process Mining?

Process Mining bezeichnet eine Methode, die es ermöglicht, mithilfe einer speziellen Process-Mining-Software Geschäftsprozesse systemübergreifend anhand von Echtzeitdaten zu rekonstruieren, auszuwerten und zu visualisieren. Moderne Mining-Algorithmen erstellen dabei einen interaktiven Graphen, der Abweichungen, Schleifen oder zeitliche Verzögerungen im Prozess sofort und valide erkennen lässt – bis ins kleinste Detail.
 

Ereignisprotokolle als Datengrundlage

Möglich ist Process Mining dank der Nutzung digitaler Spuren in IT-Systemen. Diese Fährten werden in der Regel von Betriebssystemen bei jeder Aktivität in einem Prozess erfasst und in Ereignisprotokollen (engl.: Event-Logs) gespeichert. Klassische, protokollierte Daten sind beispielsweise fehlgeschlagene Anmeldeversuche, Warnmeldungen über die Systemsicherheit oder auch Fehler beim Einrichten von Treibern.
 

Studie: Kompetenzzentrum für Process Mining hat überragenden Wert

Welche Vorteile sich durch professionelles Process Mining für Unternehmen ergeben können, zeigt eine Fraunhofer-Studie in Zusammenarbeit mit dem Software-Anbieter Celonis aus dem Jahr 2022: Für alle der 214 befragten Kunden war ein sogenanntes „Center of Excellence“ (CoEs) für Process Mining ein entscheidender Faktor für die schnelle Umsetzung von Mehrwerten und Effizienzsteigerungen. CoEs sind Kompetenzzentren, die in Firmen beispielsweise für die Einführung neuer Technologien verantwortlich sind, Best Practices vermitteln, die technische Umsetzung übernehmen sowie Support und Schulungen anbieten.
 

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Process Mining im Einkauf: Schritt für Schritt erfolgreich einführen

Auch in der Beschaffung kann Process Mining eine große Hilfe sein. Einkäufer müssen ihre Lieferkette im Blick haben – je transparenter diese ist, desto besser. Wie der Deloitte CPO Survey 2023 aufzeigt, sehen die befragten Chief Product Officer ihre Lieferketten einer vielfältigen Risikolandschaft ausgesetzt. Neben der hohen Inflation bereiten vor allem geopolitische Unsicherheiten sowie die bedrohte Lieferkontinuität Sorgen. Ein wesentlicher Punkt, um diese Risiken minimieren zu können, ist für knapp zwei Drittel der Teilnehmer eine bessere Transparenz in der Lieferkette – auch in Bezug auf die Vorlieferanten.  
Für die Umsetzung von Process Mining existieren keine allgemeingültigen Erfolgsrezepte oder fest definierte Process-Mining-Tools. Folgende Herangehensweise hat sich jedoch bewährt:
 

Schritt 1: Projektumfang bestimmen

Am Anfang steht die Planung. Für diese Phase eignen sich Workshops mit allen Beteiligten. Dabei werden die Inhalte des Projektes und die Prozessdetails festgelegt: Welche Schritte des Prozesses sollen analysiert werden? Welche Daten sind dafür notwendig? Soll das Process Mining intern mithilfe von Tools umgesetzt werden oder mittels externer Hilfe wie eines CoEs, das praxisorientierte Empfehlungen für die Skalierung von Process Mining im Unternehmen aussprechen kann?
 

Schritt 2: Datenaufbereitung/Process Mining Tools

In Schritt 2 werden die technischen Voraussetzungen für das Process Mining geschaffen: Wie werden die Daten extrahiert, umgewandelt und in die Process-Mining-Software überführt?

Dafür haben sich zwei Verfahren bewährt: die Anbindung über einen Software-Konnektor und die Nutzung eines ETL-Tools (Extract, Transform-Load). Als Grundlage dafür dienen typischerweise datenbasierte Tabellen transaktionaler Systeme wie ERP oder CRM, analytische Daten wie Reports, Log-Dateien oder auch CSV-Dateien. Wurden diese Daten erfolgreich extrahiert, werden sie in sogenannte „Cases“ übersetzt: eine Abfolge verschiedener Schritte bei der Prozessausführung. Alle Infos zu diesen Cases werden in den Ereignisprotokollen gespeichert, auf die die Process Mining-Software zugreift.
 

Schritt 3: Auswertung der Prozessdaten

Nun können die Daten durch Process Mining analysiert werden. Idealerweise wird mit der Messung dabei weit oben im Prozessfluss begonnen. Nach und nach werden dann die folgenden Phasen des Prozesses analysiert. Um einzelne Daten richtig zu deuten, kann es dabei notwendig sein, Verantwortliche einzelner Prozessschritte zu interviewen.
 

Schritt 4: Ergebnismessung

Im letzten Schritt werden mögliche Verbesserungen des Prozesses evaluiert, getestet und dokumentiert. Änderungen, die sich daraus ergeben, werden im Team diskutiert und umgesetzt. Auch die Leistungskennzahlen sollten dauerhaft gemessen und überwacht werden. Außerdem ist es ratsam, nach einiger Zeit neue Daten zu extrahieren, um besser zu erkennen, was sich verändert hat und welche Maßnahmen genau zu mehr Effizienz geführt haben.
 

Best Practice: Pharmazulieferer Sartorius setzt erfolgreich auf Process Mining

Der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius beweist, dass Process Mining im Einkauf funktioniert. Laut dem deutschen Logistikmagazin LOGISTIK HEUTE hat das Göttinger Unternehmen mithilfe von Process Mining seine Lieferperformance für mehr als 35.000 Produkte, die in 30 Werken hergestellt wurden, verbessern können. Die IT-Lösung ermöglicht es dem Unternehmen, die Ursachen von Reibungsverlusten im Lieferbetrieb aufzudecken, proaktiv Maßnahmen zur Problemvermeidung zu ergreifen sowie seine Prozesse kontinuierlich zu überwachen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurden eigene Apps entwickelt: „Delivery Capability“ misst beispielsweise Sartorius‘ Zuverlässigkeit hinsichtlich der Einhaltung von Lieferfristen beim Kunden, während „Delivery Date Changes“ zeigt, wie oft ein Liefertermin geändert wurde. Außerdem ist es Sartorius möglich, via Apps gezielt Regionen, Kunden und sogar einzelne Fabriken anzuzeigen, um dort tatsächliche Abläufe und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.

Auch andere große Unternehmen wie Uber, Siemens oder BMW praktizieren Process Mining seit Jahren und können dadurch nach eigenen Angaben Produktivitätsverbesserungen in Millionenhöhe erzielen, manuelle Tätigkeiten einsparen oder ihre Agilität verbessern.

Unternehmen können die Methode auch zum Schutz vor Cyberbedrohungen nutzen. Denn Schwachstellen in Systemen, über die Angreifer eindringen können, werden durch das Process Mining proaktiv aufgezeigt und somit schneller erkannt.