Autorität in der Führung ist kaum zu ersetzen
 

Eine der zentralen Fragen, denen der Soziologe Max Weber während seiner wissenschaftlichen und publizistischen Tätigkeit nachging, lautet: Warum lassen sich Menschen beherrschen? Hierzu bildete Weber den Begriff der Macht heraus. In ihm beschreibt er jede Form und Möglichkeit eines Menschen, einem anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Dabei lässt Weber bewusst offen, ob die Macht mit Gewalt hinterlegt oder durchgesetzt wird. Vielmehr erkannte er, dass auch subtilere Formen der Machtausübung in der Führung und Beherrschung von Menschen eine wichtige Rolle spielen.

In seinem 1922 veröffentlichten Buch „Wirtschaft und Gesellschaft“ entwirft Weber vier idealtypische Führungsstile:
 

  • Patriarchalisch
  • Autokratisch
  • Bürokratisch
  • Charismatisch

Autokratie und Patriarchalismus haben viel gemeinsam
 

Der autokratische Führungsstil ist von Befehl und Gehorsam geprägt. Er ist auf die Autorität einer einzigen Person zugeschnitten und wird auch mit Sanktionen durchgesetzt. Vom Personalkörper erfordert dieser Führungsstil die Unterordnung und eine absolute Disziplin. Die Anweisungen werden in diesem Stil ausgeführt, weil die Autorität der Führungsperson und ggf. die Angst vor etwaigen Sanktionen dahinterstehen.

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Heute kennen wir diese Art der Führung nur noch vom Militär und uniformierten Diensten oder an Bord eines Schiffes.

Als größten Vorteil nennt Weber für diesen Führungsstil die straffe und rasche Umsetzung von Entscheidungen. Heute kennen wir diese Art der Führung nur noch vom Militär und uniformierten Diensten oder an Bord eines Schiffes. In modernen Unternehmen hat dieser Stil höchstens noch bei Not- und Krisenfällen Platz. Als wesentliche Nachteile dieser Führung sind die nicht vorhandene Beteiligung der Belegschaft an Entscheidungen und die Kreativ- sowie Innovationslosigkeit zu nennen. Die Ideen von Mitarbeitern bleiben zugunsten der raschen Entscheidung und Ausführung ungenutzt. Eng mit der autoritären Führung verwandt ist die patriarchische Führung. Bei ihr wird der Führungsanspruch mit der Stellung des ältesten männlichen Mitglieds einer Familie begründet.

Auch im deutschen Mittelstand findet sich dieses Modell in unterschiedlich starken Ausprägungen: Häufig steht der Gründer lange Zeit an der Spitze des Unternehmens und hat sehr viel Führungsgewalt. Sind dann noch weitere Familienmitglieder in leitenden Positionen des Unternehmens, verschafft das dem Firmenoberhaupt noch zusätzlichen Einfluss.
 

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Bürokratie schafft laut Weber Verlässlichkeit
 

Als bürokratische Führung bezeichnet Weber die Leitung eines Personalkörpers aufgrund von festgelegten Regeln, Rollen und Pflichten. Dieses Konzept orientiert sich stark an der deutschen Behörden- und Ministerialverwaltung. Die bürokratische Führung wird von Weber als deutlich zuverlässiger und gleichbleibender beschrieben als die autoritäre Führung. Auch ist der Führungsanspruch an eine Struktur gebunden und nicht an die Autorität einer einzelnen Person. Somit sei hier eine höhere Nachhaltigkeit gegeben und Machtkonflikte beim personellen Übergang zwischen Führungspersonen werden weitestgehend ausgeschlossen.

Gleichzeitig ist diese Statik der Führung auch die größte Schwäche des Systems. Ein Ausbrechen aus den verordneten Rollen ist für die beteiligten Personen nicht möglich. Eine solche Änderung ist nur durch den bürokratisch vorgesehenen Rollenwechsel möglich – zum Beispiel durch eine Beförderung. Geführten wird nicht ermöglicht, andere Innovationen anzustoßen oder außerhalb der eigenen Ebene zu wirken. Eine Reform der bürokratischen Struktur ist innerhalb der Grundstruktur nur bedingt geduldet. In modernen Prozessen wird aber genau diese wirtschaftliche Flexibilität benötigt.

Charismatische Führung als Idealtypus
 

Besonders viel Raum räumt Weber in seinen Schriften der charismatischen Führung ein. Damit beschreibt er eine freiwillige Herrschaft durch einen charismatischen Führer, der es vermag, aufgrund seiner Charakterzüge, Ideen, Visionen und Überzeugungskraft Menschen an sich zu binden, die ihm freiwillig folgen und die eigene Kreativität und Vision in den Dienst des Charismatikers stellen. Dabei stellt Weber den charismatischen Führer stark idealisiert dar und geht nur sehr begrenzt auf die Gefahren von Charisma ein, die im Laufe des 20. Jahrhunderts in politischen Zusammenhängen oft sichtbar wurden.

Viele Aspekte der modernen Menschenführung lassen sich anhand von Webers Beobachtungen gut reflektieren und systematisieren. Da er aber vornehmlich die Dynamik von Herrschaft und Macht betrachtet, fehlen zeitgemäße Reflexionen über Beteiligung, Kreativität und Weiterentwicklung fast vollständig in seinen Schriften.
 

Moderne Führungsstile: Flache Hierarchien, situative Führung
 

Heutzutage gelten in vielen Branchen flache Hierarchien als das Nonplusultra der modernen Personalführung. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Mehr Selbstverantwortung lässt die Kreativität und Motivation der Arbeitnehmer steigen.
  • Neue Ideen werden aus dem gesamten Unternehmen hervorgebracht und nicht nur von wenigen Führungskräften.
  • Chefs werden entlastet und können sich verstärkt strategischen Aufgaben widmen.
  • Die Kommunikation innerhalb des gesamten Unternehmens profitiert.
  • Entscheidungswege sind kürzer.
  • Bei weniger Führungsebenen reduzieren sich oft auch die Personalkosten.
  • Digitalisierungsprojekte können schneller umgesetzt werden.

Allerdings haben hierarchische Strukturen keinesfalls völlig ausgedient. So ergab die Studie "Potenzialanalyse Organisation x.0" von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut aus dem Jahr 2021, dass nur 28 Prozent der Unternehmen und Behörden in Deutschland in den vorangegangenen zwei Jahren Hierarchien reduziert haben. Ein Drittel der befragten Entscheider empfinden hierarchische Strukturen weiterhin als nützlich. Gerade in Krisenzeiten würden Organisationen ohne Weisungsbefugnis schnell an ihre Grenzen stoßen.

Belegschaft ist selten homogen
 

Dazu kommt ein weiteres Problem: Jeder Mitarbeiter ist anders und bedarf unterschiedlicher Führung, um sein volles Potenzial entfalten zu können. Während der eine klare Ansagen benötigt, kann sich der andere erst richtig entfalten, wenn er seine Aufgaben frei von starren Vorgaben erledigen darf. Dieses Problem der unterschiedlichen Bedürfnisse wird bei allgemeingültigen Führungsstilen ignoriert.

Daher hat sich bei vielen Firmen ein situativer Führungsstil etabliert. Dieser setzt voraus, dass die Mitarbeiter zwar geführt werden müssen, aber eben nicht jeder in gleichem Maße, sondern je nach individuellem Reifegrad und Tätigkeitsfeld. Ein junger Mitarbeiter benötigt beispielsweise in der Regel mehr Führung, was die Arbeitsabläufe angeht, und mehr Kontrolle durch einen Vorgesetzten als ein erfahrenes Teammitglied, das weitgehend autark Entscheidungen treffen kann.

Diese Idee wird durch eine aktuelle Umfrage gestützt: Danach halten 51 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen Führungsfähigkeit für die wichtigste Eigenschaft von Vorgesetzten. Verschiedene Generationen von Arbeitnehmern bevorzugen danach leicht unterschiedliche Führungsstile und Führungsqualitäten. Jeder Einzelne habe seine eigenen Erwartungen, wie ein Vorgesetzter führen, coachen, unterstützen und mit ihnen in Beziehung treten sollte.
 


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Führung ist ein dynamischer und kreativer Prozess. Heute können uns die theoretischen Führungsstile helfen, Elemente eigener Führung zu erkennen und einzuordnen. Allerdings lassen sich Mitarbeiter im 21. Jahrhundert nicht mehr rein autoritär oder bürokratisch führen. Vielmehr ist eine gesunde Kombination der Stile zusammen mit der Beteiligung von Personen und Teams eine Möglichkeit, das eigene Team oder die eigene Abteilung erfolgreich zu führen.

Checkbox: Führungsstile nach Weber
 

  • Autokratische und patriarchische Herrschaft ist geprägt durch Befehle, Gehorsam und Struktur.
  • Bürokratische Herrschaft ist geprägt durch Regeln, Verordnung und Stabilität.
  • Charismatische Herrschaft ist geprägt durch die Faszination einer charismatischen Führungsperson.
  • Grundsätzliche Mechanismen sind noch immer gültig.
  • Macht und Herrschaft lassen sich mit Weber besser verstehen.
  • Beteiligung, Teamarbeit, Kreativität und Dynamik betrachtet Weber kaum.