Zwei Studien: Viele Unternehmen erwägen Reshoring und Nearshoring

Durch die Folgen der Corona-Pandemie wurden die globalen Lieferketten massiv gestört. Um die Resilienz der Supply Chains zu erhöhen, erwägen nun viele Unternehmen eine Verlagerung ihrer Lieferketten in heimische Regionen oder Nachbarländer.

Das belegen gleich zwei verschiedene Studien: Schon im August 2020 haben die Ergebnisse einer Untersuchung des McKinsey Global Institute (MGI) gezeigt, dass bis zu ein Viertel der globalen Lieferketten bereits in den nächsten fünf Jahren verlagert werden könnte. Im Dezember 2020 veröffentlichte dann der Kreditversicherer Euler Hermes die Ergebnisse einer Befragung von rund 1.200 Unternehmen weltweit. Diese Studie besagt, dass 55 Prozent der Firmen die Verlagerung der Produktion und das Hinzuziehen neuer Lieferanten erwägen.

Interessant ist vor allem die Differenzierung, die bei der Euler-Hermes-Studie zwischen Reshoring (Rückholung der Produktion in heimische Gefilde) und Nearshoring (Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins nahegelegene Ausland) vorgenommen wurde: Von den oben erwähnten 55 Prozent streben nur zehn bis 15 Prozent an, die Produktion tatsächlich ins Heimatland zu holen. Nearshoring ist hingegen für 30 Prozent dieser Unternehmen (und sogar 44 Prozent der deutschen Firmen) eine aussichtsreiche Option, vor allem wenn das Nachbarland Teil derselben Zollunion oder desselben Freihandelsabkommens ist. Grund für diese Überlegungen sei in erster Linie die Verbesserung der Margen, so die Autoren der Studie.

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Grund für diese Überlegungen sei in erster Linie die Verbesserung der Margen, so die Autoren der Studie.

Höhere Preise und politische Regulierungen

Sollten die Lieferketten wirklich in hohem Maße ins benachbarte Ausland oder sogar ins Heimatland verlagert werden, hätte das mutmaßlich Einfluss auf die Produktionskosten. Denn die sind beispielsweise in vielen asiatischen Ländern deutlich geringer. So geben auch 40 Prozent der von Euler Hermes befragten Entscheider an, im Falle eines Reshorings die Kosten an die Kunden weitergeben zu wollen.

Laut der McKinsey-Studie hängt die tatsächliche Umsetzung des Reshoring- beziehungsweise Nearshoring-Vorhabens auch von politischen Regulierungen ab, die die heimische Produktion von Gütern fördern würden. Es seien beispielsweise Regelungen denkbar, die eine regionale Produktion von Wirkstoffen für die Herstellung von Pharmazeutika erfordern. In Automobil- und Maschinenbau könnte es ebenfalls durch entsprechende Vorgaben zu Verlagerungen kommen.

Weitere Maßnahmen für höhere Widerstandsfähigkeit der Lieferketten

Neben Produktionsverlagerungen und dem Hinzuziehen neuer Lieferanten haben die Unternehmen weitere Maßnahmen geplant oder schon ergriffen, um die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen. Vor allem die Überwachung der Supply Chain soll bei vielen Firmen wesentlich detaillierter ablaufen. Laut der Euler-Hermes-Befragung haben die befragten Unternehmen zudem Versicherungen gegen Lieferausfälle abgeschlossen, sich in hohem Maße bevorratet oder Notfall-Lieferanten als Back-up eingegliedert.

Die McKinsey-Autoren kommen zu einem ähnlichen Schluss. Sie erwähnen an Resilienzmaßnahmen für Unternehmen die „detaillierte Kartierung der Unterebenen ihrer Lieferketten und deren digitale Verbindung für eine bessere Transparenz, den Aufbau von eigenen und Zulieferkapazitäten zur Flexibilisierung der Produktion an mehreren Standorten, die Aufstockung der Lagerbestände sowie die Stärkung ihrer Bilanzen“.