Herkunftsnachweis und Chain of Custody
Debatten um Palmöl und Tropenholz, Pestizide und Antibiotika, Chemikalien in Kleidung, Arbeitsbedingungen, Umweltbelastung, Tierhaltung oder die Reparaturfähigkeit von Produkten zeigen: Das öffentliche Interesse an allen Aspekten der Warenproduktion und des Handels wächst rapide. Dem steht eine immer komplexere globale Arbeitsteilung in nahezu allen Branchen mit weltweiten Handelsbeziehungen auch kleinerer Unternehmen gegenüber.
Verändert hat sich ebenso das Verhalten der Abnehmer und Behörden. Um sich vor Problemen bei Herkunftsnachweisen und eventueller Produkthaftung abzusichern, wächst die Nachfrage nach genauen Informationen zur Supply Chain: Wer hat wann welche Rohstoffe, Ersatz- oder Produktteile und Materialien wo eingekauft? Und unter welchen Arbeits- und Umweltbedingungen sind sie entstanden? Fragen, die das Supply Chain Management zu beantworten hat.
Auch der Trend zu immer mehr Zertifizierungen führt zur Notwendigkeit des Nachweises. Um das Okay der zuständigen Zertifizierungsgesellschaften zu bekommen, ist die Chain of Custody – die lückenlose Nachweiskette – unabdingbare Voraussetzung. Generell spielt der Aspekt der Rückverfolgbarkeit von Stoffen und Produkten eine wachsende Rolle. Der Lebensmitteldiscounter will wissen und gegebenenfalls nachweisen können, woher die Zutaten in einer Konfitüre oder einem Fertiggericht stammen. Der Bekleidungshersteller wünscht Informationen über die zugelieferten Garne.
Recht und Haftung, Zulassung und Marketing
Umfassende Transparenz ist für das Supply Chain Management aus zwingenden Gründen unverzichtbar. Genaue Informationen sind relevant für:
- Rechts- und Haftungsfragen. Sind verarbeitete Stoffe und damit die hergestellten Produkte im Zielland zulassungsfähig? Erfüllen sie alle Anforderungen der Produktsicherheit und des Umweltschutzes? Wie ist die Rechtslage gegenüber den Zulieferern im Falle von Produktmängeln (Rückruf) und Haftung? Welche Rechtsnormen gelten?
- Zulassungsfragen. Ist mit den verwendeten Materialien oder Produkten von Fremdherstellern die angestrebte oder zwingend nötige Zertifizierung möglich? Lassen sich strenge Vorgaben in Ausschreibungen erfüllen?
- Marketingaspekte. Kann die gläserne Lieferkette – vor allem im Lebensmittel- und Bekleidungssektor – als Marketingelement eingesetzt werden? Hier spielen auch Faktoren wie Regionalität eine zunehmend wichtige Rolle.
Immer mehr Unternehmen stellen Informationen über ihr Supply Chain Management zur Verfügung. Aldi Nord beispielsweise bewirbt eine neue Vollmilch mit dem Argument der verbesserten Tierhaltung und ermöglichen online den Blick in die Ställe der Tiere. Große Getreideverarbeiter machen mit QR-Codes auf den Verpackungen transparent, woher das zu Mehl verarbeitete Getreide stammt. Diese Beispielreihe ließe sich fast beliebig fortsetzen. Ein QR-Code auf einer Verpackung ist inzwischen fast zum Symbol von Transparenz und Rückverfolgbarkeit geworden. Er steht für Produktsorgfalt, selbst wenn nur wenige Konsumenten dieses Informationsangebot tatsächlich nutzen.
Das Supply Chain Management steht vor großen Herausforderungen
Im Supply Chain Management ist mit der Schaffung einer gläsernen Lieferkette eine große Aufgabe zu bewältigen. Hier die nötige Transparenz und Dokumentation zu erstellen, fällt umso leichter, je kleiner der Kreis der Zulieferer ist. Beruht die Zusammenarbeit auf einer langjährigen Erfahrung, hat sich eine Vertrauensbasis entwickelt, die eine nicht zu unterschätzende Qualität in der Kooperation darstellt.
Ein vorausschauendes Supply Chain Management ist auch hinsichtlich künftiger Diskurse sinnvoll: Heutzutage besteht Übereinkunft, dass beispielweise durch Kinderarbeit hergestellte Produkte ethisch nicht vertretbar sind. Wo könnten hier künftige Problemfelder, aber auch Spielräume liegen? Welches Profil will ich den Produkten oder dem Unternehmen geben, was könnten die künftigen Anforderungen meiner Abnehmer und Geschäftspartner sein? Steht die Lieferkette in allen Stufen und Elementen mit dem Code of Conduct des Unternehmens in Einklang? Unsere Märkte sind immer stärker von disruptiven Entwicklungen geprägt, in denen sich unerwartete Neuerungen sehr schnell durchsetzen oder zumindest Handlungsdruck aufbauen. Da ist es nur sinnvoll, sein Marktsegment mit breiter Perspektive anzuschauen und sich auf mögliche Akzent- oder gar Schwerpunktverschiebungen einzustellen. Zumindest hausintern ist Transparenz über alle Stufen der Lieferkette daher unverzichtbar.
Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das Prinzip der gläsernen Lieferkette weiter durchsetzt: Wenn immer mehr Unternehmen das Was, Wie und Woher offenlegen, ziehen Abnehmer wie Endverbraucher irgendwann den Umkehrschluss: Derjenige, dessen Supply Chain Management sich nicht um Transparenz bemüht, müsse doch etwas zu verbergen haben. Wer dagegen frühzeitig seine Chain of Custody beherrscht, ist für alle Eventualitäten gut aufgestellt.