Welche Vorteile KI in der Beschaffung bringen kann, haben wir jemanden gefragt, der noch nie Angst vor Technik hatte: Fabian Silberer ist Gründer und Geschäftsführer von der Online-Buchhaltungssoftware sevDesk und Spezialist in seiner Branche. Der SaaS-Unternehmer wappnete bereits 80.000 Selbstständige und KMUs für die Arbeitswelt 4.0, und zwar mittels KI.
Herr Silberer, was ist eigentlich Künstliche Intelligenz?
Kurz gesagt gelten als KI alle Systeme, die als intelligent, also lernfähig, bezeichnet werden können. Das fängt bei Tools an, welche die Rechtschreibung in Texten kontrollieren und in der Lage sind, neue Wörter zu lernen. Und es geht weiter bei Chatbots, die Kundenanfragen beantworten, und bei Systemen, die Entwicklungen am Markt analysieren und so im Vertrieb und Marketing Impulse für besseren Kundennutzen geben können. Bei Buchhaltung und Steuererklärungen kann KI ebenfalls stark unterstützen.
Wie sieht es im Büroalltag in der Beschaffung aus? Welchen Einfluss hat KI hier?
Bisher haben lernende Systeme noch geringen Einfluss im Büroalltag. Sie sind allerdings schon heute in der Lage, die Aufgaben der Angestellten in der Beschaffung zu erleichtern. Einige Funktionen, die KI übernehmen kann, habe ich bereits genannt. Möglich ist darüber hinaus auch, dass lernende Systeme Lieferanten suchen und überprüfen. Sie könnten in einer Vorabauswertung die Qualifizierung der Lieferanten beurteilen und so zum Risikomanagement genutzt werden. Mitarbeiter ersetzen kann KI allerdings (noch) nicht. Aber die Arbeiten der menschlichen Angestellten können von administrativen Aufgaben auf neue Schwerpunkte und das Tagesgeschäft verlagert werden, wenn KI vermehrt eingesetzt wird.
Welche Büroarbeiten könnte KI in mittelständischen und kleinen Unternehmen übernehmen?
Gerade in der Beschaffung fallen zahlreiche administrative Tätigkeiten an. Die Zuordnung von Rechnungen und Belegen für die Buchhaltung ist ein Beispiel für einen Arbeitsschritt, der händisch von hochqualifizierten Menschen erledigt wird. Wenn Software den gescannten Beleg lesen, automatisch zuordnen sowie in der Buchhaltung der entsprechenden Sparte zufügen kann und am Ende dann sogar noch in die Steuererklärung weiterleitet, spart das Zeit und Nerven. Für das eigentliche Geschäft ist dann mehr Zeit. Und was wäre, wenn auf diesem Beleg der Einkauf von Papier für den Drucker vermerkt wäre? Muss ein Mitarbeiter oder der Chef selbst täglich kontrollieren, ob der Drucker noch genug Papier hat? Oder kann nicht eine Software registrieren, wie viele Blatt Papier über Druckaufträge verbraucht wurden, und automatisch Papier nachbestellen? Wenn das Druckerpapier um anderes Büromaterial ergänzt wird, ist der Umfang der Arbeitserleichterung schnell klar.
Was sind für Sie die wichtigsten Bereiche, in denen KI die Arbeit in der Beschaffung erleichtern kann?
Im Kern sehe ich in fünf Arbeitsfelder in der Beschaffung, die enorm von KI profitieren können:
- Automatische Angebotserstellung: Wird KI eingesetzt, um Angebote passend zu Nachfragen zu erstellen, können die auf die Anfrage passenden Produkte ausgewählt werden. Preisoptimierungen sind ebenfalls möglich. Die KI-basierten Funktionen sorgen für präzise und individuell an die Bedürfnisse der Kunden angepasste Angebote, die mit einem optimierten Einkaufserlebnis die Kundenbindung fördern.
- Stammdatenmanagement: Im Einkauf ist es jederzeit von hoher Bedeutung, saubere Daten zu haben. KI kann beim Stammdatenmanagement wichtige Dienste leisten. Große Datenpakete werden überprüft und bei Bedarf verbessert. Das hilft nicht zuletzt beim Bereinigen von Lieferanten-Dubletten, und schafft Klarheit bei vertraglich geregelten Zahlungsbedingungen, spürt aber auch Lücken innerhalb der eigenen Daten auf.
- Digitale Belegerkennung: KI wird unter anderem auch in der Belegerkennung angewandt. Wenn Belege von Materialien wie dem oben genannten Druckerpapier beispielsweise eingescannt wurden, kann dann OCR-Erkennung die Schlüsseldaten automatisch erkennen und das Dokument den entsprechenden Buchungskonten zuordnen. Das funktioniert nicht nur mit Büromaterial – abhängig davon, inwieweit die Software trainiert ist, geht dies auch mit anderen Posten.
- Automatische Verbuchung von Zahlungseingängen: Was beim Rechnungseingang und der Zahlung für Materialien funktioniert, kann natürlich auch für ausgehende Rechnungen und Zahlungseingänge angewandt werden. Wenn die Software Zahlungseingänge mit den entsprechenden Rechnungen in Zusammenhang bringt und eine Zuweisung erstellt, um beispielsweise bei fehlendem Eingang die automatische Erstellung von Mahnungen zu initiieren, ist das eine enorme Arbeitserleichterung.
- Elektronisch geführtes Kassenbuch: Dass Belege gescannt und automatisch dem entsprechenden Buchungskonto zugeordnet werden können, wurde schon erwähnt. Aber was, wenn die Software anhand der Daten der gescannten Belege schon das Kassenbuch komplett schreiben kann? Wenn der Beleg digital archiviert und mit dem Kassenbuch verknüpft wird? Dieses Kassenbuch ist jederzeit und von überall aus abrufbar und kann von verschiedenen Endgeräten aus bearbeitet werden.
Herr Silberer, eine Frage zum Schluss: Was würden Sie jemandem erwidern, der KI noch kritisch gegenübersteht?
Künstliche Intelligenz ist keine Eintagsfliege, sondern wird permanent weiterentwickelt. Dabei geht es weniger um alleinstehende, einzelne Anwendungen und Programme, die für sich arbeiten. Der große Reiz der intelligenten Programme liegt darin, dass sie miteinander verknüpft werden können. So kann aus vielen intelligenten Einzelanwendungen ein ganzes Paket an Software geschnürt werden, das den Büroalltag kontinuierlich erleichtert und Selbständigen wie Unternehmern den Kopf für die wirklich wichtigen Aufgaben freihält.
Für Selbständige und Unternehmen ist wichtig, dass sie den neuen Anwendungen eine Chance geben und sich mit der Materie befassen. Denn was gut ankommt, wird auch weiterentwickelt, verbessert und den Bedürfnissen angepasst. Dabei sollten vor allem die Ansprüche an Datenschutz und Sicherheit wichtiger Bestandteil der Toolauswahl sein.